Piotr Beczala als Don José und Margarita Gritskova als Carmen an der Wiener Staatsoper.

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wien – Inspiriert, das war der Einsatz von Jean-Christophe Spinosi am Pult des Staatsopernorchesters allemal, sein Wille zu Pointierung und dynamischer Abstufung deutlich zu hören. Aber nicht sein ganzer Schwung kam auch an, zu viele Einsätze wackelten – auch auf der Bühne. Dabei waren die gestalterischen Ansätze des Dirigenten vielversprechend: Martialisch und doch leichtfüßig legte er das Auf in den Kampf der Ouvertüre an, legte Wert auf Wuchtigkeit und Brutalität bei den Schlägen des Schicksalsmotivs. Doch sein Schicksal war an diesem Abend ein Stierkampf mit der Routine.

Der 40 Jahre alten Inszenierung von Franco Zeffirelli, die manch unfreiwillig Humoristisches birgt, wohnt durch ihre Historienfilmästhetik und die Personenführung etwas bleiern Schwerfälliges inne, so dass es auch nicht gerade leicht ist, musikalisch Leichtigkeit und Fluss zu erzeugen.

Wiener Staatsoper

Spinosi hatte die Wucht des Orchesters meist im Griff, doch nicht immer: Ausgerechnet bei seinem Auftrittslied als Escamillo war Carlos Álvarez kaum zu hören – und er hätte auch sonst eine Spur mehr Taurin vertragen. Sein Rivale Piotr Beczala glänzte als Don José hingegen in gewohnter Manier: Mit sattem, angenehmem Metall, geschmeidiger Kraft und viel Gefühl für Geschmack machte er sogar darstellerisch das Beste aus den bescheidenen Stehtheatermöglichkeiten der Regie.

Mut auch zum Unschönen

Tadellos und unauffällig war Olga Bezsmertna, die eine maßvoll herzerweichende Micaëla gab. Und in der Titelpartie kämpfte Margarita Gritskova zwar sichtlich mit den szenischen Vorgaben, indem sie sich etwa nicht entscheiden konnte, die Kastagnetten zu verwenden oder sich aus dem Orchestergraben sekundieren zu lassen, überzeugte aber durch ungezügelten Wohlklang und Mut auch zum Unschönen im Sinne des Ausdrucks.

Die kommenden Vorstellungen am 26. und 29. Jänner sind die 160. und 161. Aufführung dieser Inszenierung. Beide Abende sind bereits ausverkauft. Der letzte Termin wird allerdings auch als Livestream geboten. (Daniel Ender, 24.1.2018)

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