Wenig Stimmung kommt im Bühnenbild auf.

Foto: Michael Poehn

Wien – Schon einmal sorgte eine Alma in der Wiener Staatsoper für künstlerische Inspiration: Alma Mahler, das umtriebige "Boxenluder" (© by Paulus Manker) im seinerzeitigen Großkünstlerzirkus. Gut hundert Jahre später ist eine Alma der unschuldigeren Art am Hause tätig: Alma Deutscher. Das zwölfjährige Mädchen aus der Ortschaft Dorking südlich von London ist lieb und adrett und zudem ein Wunderkind: Ihre Oper Cinderella wird in einer 75-minütigen "Wiener Fassung für Kinder" auf der Agrana Studiobühne in der Walfischgasse gezeigt.

Die Märchengeschichte hat Alma zusammen mit ihrem Vater, dem Linguisten Guy Deutscher, auf witzige Weise ins Musiktheatermetier verlegt: Cinderellas böse Stiefmutter (Simina Ivan) führt ein Opernhaus, an dem auch ihre Töchter Griselda und Zibaldona als Primadonnen wirken. Die arme Cinderella muss Tag und Nacht handschriftlich Orchesternoten kopieren, obwohl sie lieber komponieren würde. Von der guten Fee Emeline (Bongiwe Nakani) bekommt sie ein Notizbuch, in dem der poetisierende Prinz seine lyrischen Ergüsse festgehalten hat. Trotz widriger Umstände finden Cinderella und der Prinz, finden Musik und Sprache zusammen und verschmelzen schlussendlich zu reiner Glückseligkeit.

Gekonnte Imitation und Retroklassik

Die Musik, die Alma Deutscher für dieses Märchen erfunden hat, orientiert sich primär an der Opernsprache der Klassik und imitiert diese in gekonnter, charmanter und abwechslungsreicher Weise: Chapeau. Nur findet sie leider nie darüber hinaus. Während erwachsene Komponistinnen und Komponisten von Kinderopern ihre Inspirationen aus einem viel größeren Reservoir von musikalischen Einflüssen schöpfen (neben Barock, Klassik und Romantik auch moderne und zeitgenössische Musik, Jazz, Rock und Pop), bleibt die Musik des Wundermädchens in der geschützten Blase der Retroklassik gefangen. Alles so biedermeierlich und rosarot hier. Man hört, dass Deutscher nie Pop und Rock hört, und man empfindet es als Mangel.

Die Inszenierung von Cinderella ist leider auch nicht wirklich prickelnd. Christina Feiks lieblos beleuchtetes Bühnenbild, das einen Blick hinter die Opernkulissen erlauben möchte, wirkt meist nur ärmlich; in der Nacht im Wald kommt kurz Stimmung auf. Regisseurin Birgit Kajtna peitscht ihr Personal in Richtung Kleinbühnenklamauk; speziell Ulrike Helzel (als Zibaldona) tut des Aufgedrehten zu viel. Wuchtig: Caroline Wenborne als Griselda. Pavel Kolgatin ist zwar ein etwas biederer Prinz, singt aber schön lyrisch; Bryony Dwyer gibt die Cinderella mit Natürlichkeit. Eindrücklich: Rafael Fingerlos als Minister.

Das hinter dem Publikum platzierte Orchester (Leitung: Witolf Werner) ist wie so oft an diesem Ort ein bisschen zu dominant, den Text der Arien (deutschsprachige Fassung von Theresita Colloredo und Norbert Hummel) versteht man nur selten. Und ab und zu schlägt die Kürzungsaxt schon tiefe Wunden in den Textkörper. Trotz allem: Premierenbegeisterung im Retrohort Wiener Staatsoper. (Stefan Ender, 28.1.2018)