Angeblich hat Heinrich von Kleist bei einer seiner stotternden Lesungen im halböffentlichen Freundeskreis im Fall von Familie Schroffenstein sich und die Zuhörerschaft in hellste Lachfreuden versetzt. Gestotterte Blankverse haben es eben in sich! Wer wenn nicht der Schöpfer selbst darf sich hier alle notwendigen Rezitationsfreiheiten nehmen. Insbesondere da das 1804 in Graz uraufgeführte Trauerspiel vorderhand wenig Unterhaltendes an sich hat.

Das Drama ist angelehnt an Shakespeares Romeo und Julia und verhandelt eine vergleichbare Fehdegeschichte, bei der am Ende nicht nur die nämlichen Toten zu beklagen sind, sondern sich auch noch zwei Mörder schuldig fühlen müssen. Zu lachen gibt es in Fabian Alders Inszenierung für das Bronski & Grünberg Theater erwartungsgemäß also wenig.

Der junge Regisseur nimmt das Stück deutlich ernster als sein Urheber und hat einen schwierigen Weg gewählt. Er lässt in der kleinen Guckkastenbühne das Stück vom Blatt spielen, wie man so sagt. Die Verssprache wirkt manchmal papieren, doch zunehmend greifen kunstvolle Sprache und Körper ineinander. Es obliegt den Schauspielern, jedes der tiefschürfenden Gefühle beglaubigend zu erspielen: den verrückten Geisteszustand oder den rachsüchtigen Schmerz. Das beherzt agierende Ensemble gerät rund um einen in den Boden gerammten toten Baum (Symbol!) auch ins Strudeln.

Alder fusioniert Figuren (Sylvius und Sylvester) und nimmt eine Spiegelbesetzung vor: Ljubisa Lupo Grucic und Birgit Linauer geben die beiden sich bekriegenden Herrschaftspaare. Der Streit basiert auf einem zurückliegenden Mord, der nach Fake News riecht, denn das Geständnis des vermeintlichen Mörders hatte man damals gar "nicht genau gehöret".

Der etwas museale Touch der Inszenierung liegt im historischen Verhaftetsein des Plots und den altertümlichen Geschlechterrollen: Männer als Rächer, Frauen als passive Beschwichtiger. Dennoch spannend. (afze, 20.2.2018)