Die Sprache der deutschen "Volksgemeinschaft" ist nicht einfach. Johann Gudenus gratulierte der "Aula" zum 60. Geburtstag in rauher (sic!) Zeit.

Foto: Faksimile SOS Mitmensch

Wien – "Unterstützung von Antisemitismus durch die FPÖ" lautet der Titel eines knapp 50 Seiten starken Papiers, das die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch gemeinsam mit der Historikerin und Antisemitismusforscherin Juliane Wetzel vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin und der Historikerin und ehemaligen wissenschaftlichen Leiterin des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW), Brigitte Bailer-Galanda, am Donnerstag präsentierte.

Die Organistaion SOS Mitmensch wirft der FPÖ vor, Antisemitismus durch Inserate und Interviews, bewusst zu unterstützen. 100.000 Euro sollen im Laufe von zehn Jahren geflossen sein. Die FPÖ bezweifelt diese Zahlen.
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Offene Unterstützung

Für die Studie mussten die Mitarbeiter von SOS Mitmensch keine verborgenen Geldflüsse offenlegen oder auf langwierige Spurensuche gehen. Die blaue "systematische Unterstützung von Antisemitismus", wie sie SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak nennt, ist offen einsehbar, wenn man die rechtsextreme Zeitschrift "Die Aula" durchblättert.

Für den Erhebungszeitraum 2008 bis 2017 tat man genau das und lieferte bemerkenswerte Zahlen: Mehr als 130 Inserate wurde in dieser Zeit von der FPÖ geschaltet. Zudem steuerten mindestens 45 teils hochrangige Politiker der Partei (von Parteichef Heinz-Christian Strache abwärts) Artikel, Interviews, Leserbriefe oder Gratulationsschreiben für das einschlägige Monatsmagazin bei. Wie viel ein Inserat in der Aula koste, habe man den Studienautoren nicht verraten wollen, so Pollak – gehe man nach marktüblichen Preisen, dürften aber viele 100.000 Euro in das Blatt geflossen sein, schätzt er. Pollak kündigte an, die Studie auch ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz vorzulegen.

Wer das rechtsextreme Medium, das 1951 gegründet wurde und den der FPÖ nahestehenden Akademikerverbänden gehört, nicht kennt, dem sagt das alles freilich noch nichts. Wissenschafterin Wetzel fasste die Stoßrichtung des Mediums, ihr Programm, nämlich das Bedienen antisemitischer Stereotype, als "Gratwanderung entlang des Strafrechts" zusammen: Viele Redakteure der "Aula" schrieben nicht selbst antisemitische, revisionistische Theorien nieder, sondern bedienten sich des "Schuhlöffels" der "Buchrezension". Hierbei würden fast durchwegs einschlägige Bücher rechter Verlage besprochen, "wobei die Rezensenten immer auf der Seite der Autoren sind", wie Wetzel betont.

"Holocaustindustrie"

Der Holocaust werde nicht offen abgestritten, was ja strafbar wäre, sondern relativiert. "Allein der Begriff Holocaust wird dabei immer unter Anführungszeichen geschrieben", betont Wetzel. Von "Holocaustindustrie" sei da die Rede, von der "amerikanisch-jüdischen Doppelzüngigkeit" – Weltverschwörungstheorien, in denen Juden verklausuliert als "die Rothschilds, Zionisten, Freimaurer, Bilderberger" oder einfach als "der Staat Israel" angeschwärzt würden, stünden in der "Aula" seit Jahrzehnten ungebrochen hoch im Kurs.

"Judaisierung der Welt"

Man spricht immer wieder von der "Judaisierung der Welt" und von der angeblich drohenden "jüdischen Weltherrschaft". Zum 60. Geburtstag des Blattes gab es viele Huldigungen, etwa von Johann Gudenus, heute geschäftsführender Klubobmann der FPÖ im Parlament, der die "aufrechte, unbeugsame Haltung" des Mediums pries, oder von Mario Eustacchio, heute Vizebürgermeister von Graz, der die "unbequemen" Themen der "Aula" lobte.

Die rechtsextreme Klientel versteht und goutiert die Codes, mit denen man hier arbeitet. Und kein gebildeter Mensch kann sie übersehen. Größere Aufmerksamkeit außerhalb seiner strammen Stammleserschaft bekam das Blatt, als es 2015 einen Beitrag veröffentlichte, in dem Überlebende des KZ Mauthausen als "Landplage", "Kriminelle" und "Massenmörder" bezeichnet wurden. Die FPÖ hielt das nicht davon ab, das Magazin weiter zu unterstützen.

"Das deutsche Volk"

Historikerin Bailer-Galanda wies auf die Spaltungen der FPÖ in der Vergangenheit hin, die die Partei immer weiter nach rechts rücken und unter den Einfluss der Burschenschaften geraten ließ. 2011 habe das schließlich dazu geführt, dass der Deutschnationalismus, zu dem sich Burschenschafter bekennen, "auch programmatisch in der Partei verankert wurde", so Bailer-Galanda.

"Das Programm kann man sich auf der FPÖ-Seite herunterladen", betont die Historikerin, man finde da auch ein Bekenntnis zu "Volksgemeinschaft", in der "die Stellung des Einzelnen" dem "Volksganzen" untergeordnet werde. "Gemeint ist hier das deutsche Volk", sagt Bailer-Galanda. "In einer solchen Unverhohlenheit habe ich das bisher nur in rechtsextremen Publikationen gelesen." Für sie sei dies ein Hinweis mehr darauf, dass Burschenschafter "das ideologische Rückgrat und die Personalreserve der FPÖ" bildeten. (Colette M. Schmidt, 22.2.2018)