Die Wahl zum niederösterreichischen Landtag wird nicht angefochten.

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Parteichefin Helga Krismer zeigte sich am Donnerstag frustriert darüber, dass die Grünen ständig aufräumen müssten.

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Wien / St. Pölten – Niederösterreichs Grüne werden die Landtagswahl vom 28. Jänner nicht anfechten. Das erklärte Parteichefin Helga Krismer am Donnerstagvormittag in einer Pressekonferenz. Am Abend zuvor hatte der Landesausschuss der Grünen – bestehend aus dem Parteivorstand, den Landtagsabgeordneten und einem Vertreter pro Bezirk – über die Frage abgestimmt. Die Funktionäre entschieden sich laut Krismer mit Zweidrittelmehrheit gegen eine Anfechtung.

DER STANDARD

Die Parteichefin zeigte sich am Donnerstag frustriert darüber, dass die Grünen immer diejenigen seien, "die sagen, bitte bleiben wir auf dem Boden der Verfassung", und sich damit "hochgradig unsympathisch" machten. "Es ist in Österreich offensichtlich so, dass die, die aufzeigen, dann auch noch die blöde Nachred' haben." Die Grünen fühlten sich "mittlerweile ziemlich allein, und das kostet auch sehr viel Kraft, wenn man das immer allein stemmen muss", sagte Krismer. Das Dilemma der Grünen sei "fast ein literarisches Drama".

Krismer: "Ich kann nicht mehr"

Die Landesparteichefin hatte die Entscheidung an das rund 30-köpfige Gremium delegiert, weil sie sich selbst nach eigenen Angaben außerstande sah, sie zu treffen: Ein weiterer Wahlkampf würde die Landespartei in erhebliche finanzielle Turbulenzen stürzen, zudem ist nicht gesichert, dass die Grünen den Einzug in den Landtag ein weiteres Mal schaffen würden. Bei der Wahl im Jänner erreichten sie rund 6,5 Prozent der Stimmen, für den Einzug in den Landtag sind vier Prozent notwendig.

Zudem haftet Krismer laut eigenen Angaben mit 300.000 Euro privat für einen Parteikredit, womit sie unter anderem begründete, dass sie selbst gegen die Anfechtung gestimmt hat: "Ich möchte, aber ich kann nicht mehr."

Anfechtung brächte "Wettbewerbsvorteil" für die ÖVP

Für einen weiteren Wahlkampf fehlte den Grünen schlicht das Geld, argumentierte Krismer – sie geht auch davon aus, dass Neos und FPÖ keine zusätzlichen Mittel hätten. Am Ende würde die ÖVP dann "wieder fünf, sechs Millionen" in einen Wahlkampf stecken. Eine Anfechtung brächte also "einen enormen Wettbewerbsvorteil für die ÖVP".

Die Partei ließ von dem Rechtsanwalt Heinrich Vana und dem Verfassungsjuristen Bernd-Christian Funk ein Gutachten erstellen, dem zufolge die rechtliche Grundlage für die Landtagswahl sowie die Abläufe im Vorfeld verfassungswidrig waren.

Umstrittene Regelung für Zweitwohnsitzer

Wie berichtet, führte eine Novelle des Wahlrechts für Zweitwohnsitzer in Niederösterreich teilweise zu Chaos in den Gemeinden, denen die Prüfung des Wahlrechts auferlegt wurde. Schwammige Formulierungen im Gesetz ermöglichten, dass in einigen Gemeinden hunderten Nebenwohnsitzern das Wahlrecht entzogen wurde, in anderen keinem einzigen. Dem STANDARD und den Grünen liegen auch Fälle vor, in denen Bürger – gesetzeswidrig – nicht über die Streichung aus der Wählerevidenz informiert wurden. Dadurch hatten sie keine Möglichkeit, gegen die Entscheidung ihres Bürgermeisters vorzugehen.

Krismer sprach zuletzt auch von Fällen, bei denen Bürgermeister auf Druck von aus der Evidenz gestrichenen Bürgern diese wenige Tage vor der Wahl noch in die Wählerevidenz "hineingeschwindelt" hätten.

Das von ihnen beauftragte Gutachten wollen die Grünen bei der konstituierenden Sitzung des Landtags einbringen. "Dieses Gutachten wird die ÖVP ernst nehmen müssen." Primäres Ziel sei nun, die ÖVP dazu zu bringen, das Gesetz vor der Gemeinderatswahl im Jahr 2020 zu reparieren.

Neos drängen auf Reparatur

ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner sagte auf Anfrage der APA: "Wir haben von Anfang an gesagt: Die Entscheidung, ob die Grünen die Wahl anfechten oder nicht, obliegt ausschließlich den Grünen." Franz Schnabl, SPÖ-Landesparteivorsitzender und Landesrat, sieht die Entscheidung der Grünen "mit Wohlwollen". Das Wahlergebnis hätte sich bei einer Wiederholung nicht großartig verändert, sagte der designierte Landesvize.

Die Neos Niederösterreich – seit der Landtagswahl im Jänner ebenfalls im Landtag vertreten – drängten in einer Reaktion auf die Bekanntgabe der Grünen auf eine rasche "Reparatur und Demokratisierung" des niederösterreichsichen Wahlrechts. (Sebastian Fellner, Video: Katrin Burgstaller, 1.3.2018)