Vielschichtige Probleme aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten war der Anspruch der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Universität Klagenfurt.

Foto: Hannes Kohlmeier

Klagenfurt – Zum 50. Mal jährt sich heuer das Jahr 1968, das wie kein anderes für die Öffnung der Hochschulen steht. Damals war der Ruf nach Hochschulreformen laut geworden: Der Bedarf nach akademisch gebildeten Arbeitskräften war mit dem Wirtschaftsboom der Nachkriegszeit massiv gestiegen, die Unis mit Forschung um der reinen Erkenntnis willen und wenigen Studierenden aus privilegierten Milieus schienen sich überlebt zu haben. Die Öffnung akademischer Bildung für weitere Kreise wurde erstmals Konsens.

In der Folge wurden in den 60er- und 70er-Jahren mehr Universitäten geschaffen als je zuvor. In Österreich waren die neuen Hochschulen in Salzburg (1964), Linz (1966) und Klagenfurt (1973). Den traditionellen, jahrhundertealten Universitäten in Wien, Graz und Innsbruck sollten so Hochschulen eines neuen Typs an die Seite gestellt werden. Mit ihnen sollten Studierende aus dem ländlichen Raum erreicht und neue, stärker auf die berufliche Praxis ausgerichtete Studien erprobt werden.

In den österreichischen Hochschulreformen nimmt das 1979 gegründete Interuniversitäre Forschungsinstitut für Fernstudien einen besonderen Platz ein. Wie keine andere Einrichtung verkörperte es den Wunsch nach einer neuen Form von Wissenschaft im Zeichen von Interdisziplinarität und gesellschaftlicher Relevanz. Statt für sich in den traditionellen Fakultäten zu fuhrwerken, sollten Wissenschafter aus verschiedenen Fächern zusammenarbeiten, den Elfenbeinturm verlassen und zur Lösung gesellschaftlicher Fragen beitragen. Durch Weiterbildungsangebote für Praktiker sollte das neue Wissen unmittelbar in die Gesellschaft wirken. Mit der regionalen Verteilung der Standorte in sechs Bundesländern und der bis 1992 gegebenen Möglichkeit des Fernstudiums sollten Angebote für die unterschiedlichsten Personen offenstehen.

Zerfall einer Ikone

Trotz der wechselvollen Geschichte, im Zuge derer im Jahr 2004 die Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (AAU) etabliert wurde, bleibt dieser Geist bis heute prägend. Studienangebote und Lehrgänge – etwa das Masterstudium Sozial- und Humanökologie – richten sich gleichermaßen an Postgraduierte und berufliche Praktiker. Mit Standorten in Klagenfurt, Graz und Wien hat sich auch die regionale Verteilung erhalten.

Doch die einst ikonische Reforminstitution scheint nun aus der Zeit zu fallen. Von der AAU werden die Standorte Graz und Wien bis Herbst 2019 aufgegeben. Einige Teile der IFF bleiben der Kärntner Uni erhalten. So wird das Institut für Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung aus Wien übersiedeln, das Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung und jenes für Wissenschafts- und Technikforschung befanden sich ohnehin bereits in Klagenfurt.

Alle anderen Teile der Fakultät gehen jedoch an andere Unis über. So wechselte die Wissenschafts- und Technikforschung in Graz per 1. Jänner an die dortige TU. Das Institut für Soziale Ökologie wurde am 1. März Teil der Universität für Bodenkultur in Wien. Die Mitarbeiter des Instituts für Palliative Care und Organisationsethik dürften an der Uni Wien und der Uni Graz übernommen werden, das Institut bleibt als Einheit aber wohl nicht erhalten.

Langer Prozess

Die Reorganisation der IFF ist Ergebnis eines Prozesses, der auf Initiative der Fakultät im Spätsommer 2015 begann. Offenbar sah sich die Fakultät im ausdrücklich "ergebnisoffen" begonnenen Veränderungsprozesses an einem Punkt vom Rektorat vor vollendete Tatsachen gestellt. So heißt es im Fakultätsnewsletter vom Juni, dass die "Entscheidung des Rektorats", die Standorte Graz und Wien zu schließen, "mit Betroffenheit und Protest zur Kenntnis genommen" werde. Der Newsletter zitiert auch eine Fakultätsresolution vom 23. Jänner 2017: "Wir drücken mit dieser Resolution unseren Protest gegen die Vorgehensweise des Rektorats aus."

AAU-Rektor Oliver Vitouch bestreitet, die Schließung der Standorte Wien und Graz in einsamer Entscheidung durchgesetzt zu haben. Seine Rolle sah er vielmehr darin, die Gespräche zu einem Ergebnis zu führen: "Alles beim Status quo zu belassen, wie nach Durchspielen einiger Varianten erwogen wurde, hätte die mit der Dreistandortsituation verbundenen strukturellen Probleme nicht gelöst." Die "Dislokationen" hätten Effizienzfragen aufgeworfen, Verteilungskonflikte seien an der Tagesordnung gewesen. Zudem habe es von Klagenfurt an die IFF nach Graz und Wien nur geringe Studierendenströme gegeben, deren Angebote seien hauptsächlich von mitbelegenden Studierenden der dortigen Universitäten wahrgenommen worden.

Nicht gewünscht

Zwar sei überlegt worden, die Institute in Graz und Wien mittelfristig nach Klagenfurt zu übersiedeln, das sei von ihnen aber nicht gewünscht gewesen. Sie fürchteten den Verlust der am bisherigen Standort aufgebauten Netzwerke und Kooperationen, Mitarbeiter wollten bleiben, wo sie sich ihr Leben eingerichtet hatten.

Mit dem Ergebnis des Reorganisationsprozesses ist Vitouch zufrieden. Durch Bündelung der Mittel werde der Standort Klagenfurt gestärkt und ein Beitrag zur Regionalentwicklung geleistet. Ab 2019 entsteht der Forschungsschwerpunkt "Der Mensch im digitalen Zeitalter" in Klagenfurt, der mit neuen Professuren und Projekten die technischen, ökonomischen, rechtlichen und soziokulturellen Aspekte des digitalen Wandels interdisziplinär beleuchten wird. Er wird aus den durch Abgang von Teilen der Fakultät eingesparten Mitteln finanziert, die der AAU vom Wissenschaftsministerium partiell kompensiert werden. (Miguel de la Riva, 10.3.2018)