Taubengrau und vatikangelb statt lachsrosa und braun: Die Cantinetta Antinori wurde komplett renoviert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Pasta, beispielsweise mit Ricotta gefüllte und mit (tiefgekühlter?) Trüffel beschneite Cappellacci-Taler ist ordentlich.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Schaut alles sehr elegant und comme il faut aus in der Cantinetta Antinori, ganz so, wie man sich das von der Wiener Dependance eines toskanischen Weinguts mit hocharistokratischem Background vorzustellen hat. Dabei ist fast alles ganz neu. Okay, die venezianischen Luster beim Entree sind geblieben, die mächtigen Renaissancespiegel an der Wand ebenso – ansonsten aber hat sich das langgestreckte Restaurant beim Stephansplatz nach einer Totalrenovierung zu Jahresanfang ziemlich radikal frisch gemacht. Das war auch nötig, die Cantinetta hat schließlich einen Ruf als Inbegriff des klassisch wienerischen Nobelitalieners zu verteidigen. Zuletzt aber wirkten die früher so mondänen, lachsrosa marmorierten Wände schon etwas angejahrt.

Die Antinoris sind seit 1180 in der Toskana als Winzer belegt. Gastronomie (außer Cantinetta Antinori ist auch Procacci eine Marke des Hauses) ist ein vergleichsweise junger Zweig, der von der Antinori-Tochter Allegra geführt wird. In Wien wurde schon vor 23 Jahren eröffnet, daneben gibt es die Cantinetta noch in Moskau, Zürich und, seit Ende vergangenen Jahres, auch in Monte Carlo.

Goldener Käfig

Neben neuen Wildlederfauteuils und -wandbänken in leuchtendem Gelb fällt vor allem die Trompe-l'OEil-Malerei im hinteren Teil des Restaurants auf, wo sich auf goldenem Hintergrund allerhand farbenfroh exotisches Getier tummelt. Sieht ziemlich spektakulär und richtig palazzomäßig aus, wurde auch von Marie Hartig, einer zwischen Wien und London pendelnden Künstlerin und Freundin Allegra Antinoris gemacht.

Die Andeutung ist durchaus passend: Ein bisschen fühlt man sich hier wie in einem goldenen Käfig, umringt von Geschäftsleuten in konservativ geschnittenen Anzügen, deren Krawatten auch am späten Abend noch straff um den Hals gezurrt sind. Einen anderen großen Teil des Publikums stellen Touristen und neuere Wiener mit nahöstlichem und osteuropäischem Hintergrund, denen die bewusst konservative Ausrichtung des Lokals samt unbarmherzig italianisierendem Personal merkbar zusagt.

Das Essen schlägt sich wacker. Manches, wie Carpaccio von der Goldbrasse mit Puntarelle und Avocado, gelingt ausgesprochen gut: der Fisch kühl, süß, von wächserner Konsistenz und nur zart mit Öl, Zitrus, vielleicht einem Hauch Senf mariniert. Das Zichoriengewächs in knackigem Kontrast dazu, dezidiert bitter, frisch, appetitanregend – sehr gut. Auch den Meeresfrüchtesalat, lauwarm und neben wunderbar zartem Oktopus vor allem mit auf den Punkt gegarten Venus- und Miesmuscheln versehen, lässt man sich gern gefallen.

Wildschwein gehabt

Die Pasta, ob mit Ricotta gefüllte und mit (tiefgekühlter?) Trüffel beschneite Cappellacci-Taler (siehe Bild) oder Pappardelle mit gar butterschwangerem Wildschweinsugo, ist ordentlich – auch wenn Letztere sich auf dem Teller als vergleichsweise schmale Tagliatelle herausstellten.

Die Hauptspeisen aber fallen im Vergleich ab: Steinbuttfilet wird zwar saftig gegrillt und mit gefühlvoll abgeschmecktem Artischocken-Oliven-Frikassee kombiniert – der Fisch selbst aber wirkt gar lange tot. Auch die Scaloppine al Limone sind, wiewohl exakt gebraten, keine echte Freude: Dafür hätten die Zitronen reifer und ihr Saft mit den Bratrückständen und Butter zur knappen Sauce verkocht werden müssen. So aber badet das Fleisch in einer sauren Zitruscreme, die sich mit dem Fleisch nicht verbinden will.

Zu alldem trinkt man toskanische und andere italienische Weine vorzugsweise aus adeligem Haus – und zuckt ob der Rechnung fast unmerklich mit der Augenbraue. (Severin Corti, RONDO, 16.3.2018)

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