Ferienzeiten europäischer Länder: ein Vergleich.

Aus Schüler-Perspektive: Schöner schulfreier Sommer, dafür abgehängt im Herbst?

Mit der Luftmatratze am Meer, mit dem Buch auf dem Badesteg, mit den Wanderstiefeln auf dem Berg, mit den Eltern im Museum, mit der Nachhilfelehrerin über dem Mathebuch, mit dem Handy im Bett, mit Langeweile zu Hause: Ferien kann man auf tausend verschiedene Arten verbringen.

Bei Alexander Schober ist es so: "In den langen Ferien fahre ich oft auf Trainingslager und mache viel Urlaub mit meinen Eltern. Um nicht alles zu vergessen, muss ich viel lernen, um im Stoff zu bleiben." Lieber wären dem 15-jährigen Gymnasiasten aus Wien "kürzere Sommerferien und dafür längere Semester- und Osterferien".

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Zwei Monate im Sommer frei – was will man mehr? Gelernt wird auch in der Freizeit, sei es beim Sport.
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Die Debatte über die angemessene Länge der Schulferien ist etwa so endlos wie die Möglichkeiten der Feriengestaltung. Ein Argument, das immer kommt: Die Kinder würden im Verlauf der neunwöchigen Sommerferien quasi verdummen, addiert mit zwei Wochen Weihnachts-, einer Woche Semester- und elf Tagen Osterferien sei das dem Lernerfolg mehr als abträglich. "Aus lernpsychologischer Sicht kann man sagen, dass es weniger gut ist, wenn Wissen lange nicht aktiviert wird", sagt Michael Schratz, Professor für Schulforschung an der Uni Innsbruck. Es gebe aber ein grundsätzlicheres Problem: "Unser System ist viel zu sehr auf das Abprüfen von Wissen angelegt. Nur für Prüfungen zu lernen ist nicht nachhaltig. Unsere Schule ist daher eher anfällig, dass den Kindern Erlerntes verlorengeht."

Auch Autor Andreas Salcher, der die ÖVP-Regierungsverhandler beim Thema Bildung beraten hat, sorgt sich, dass die aktuelle Ferienregelung mindestens ebenso viele Vorteile für die einen wie Nachteile für die anderen berge. Kinder aus bildungsnahen Familien würden in ihrer freien Zeit "immer eine Lernerfahrung machen" – und sei es, sich im Sport zu etwas zu überwinden oder mit Niederlagen umzugehen. Kinder, die auf solche Erfahrungen verzichten müssen, würden folglich bereits zu Beginn des neuen Schuljahrs Startnachteile wettmachen müssen, erklärt Salcher mit Verweis auf Studien aus den USA.

Auf Österreich lasse sich das nicht übertragen, sagt Manuela Paechter, Leiterin des Arbeitsbereichs Pädagogische Psychologie an der Uni Graz. Sie untersucht die Schülerleistungen in den Bereichen Lesen und Mathematik und vergleicht dafür das Wissen vor den Sommerferien, direkt danach und neun Wochen später – die Ergebnisse werden gerade ausgewertet. Trotzdem lässt sich bereits sagen: "Wir können bisher keine Abnahme der Leistungen feststellen." Im Gegenteil: Die Lesekompetenz steige leicht an. Paechters Erklärung: Es handle sich um einen Kompetenzbereich, "der durch Üben gestärkt und verbessert werden kann".

Alexander Schober vermisst in der ständigen Feriendebatte, dass auch auf die Schüler gehört wird: "Ich würde mir wünschen, meinen Schulalltag mehr mitbestimmen zu dürfen."

Aus Eltern-Perspektive: Gehetzt im Büro statt entspannt am Strand

219 Euro legt man für die Tenniswoche hin, das Technik-und-Tiere-Erlebniscamp macht 330 Euro pro Woche, fünf Tage Fußball schlagen mit 209 Euro zu Buche. Und wer heuer Study and Fun für den Nachwuchs buchen will, kann schon einmal 349 Euro pro Woche veranschlagen. Was den Kindern lieb, ist für die Eltern vor allem teuer: die Ferien.

Was also tun? Soll jeder Elternteil getrennt Urlaub nehmen? Ulrike Zartler, Familiensoziologin an der Uni Wien, hält dies für keine taugliche Idee: "Die gemeinsame Familienzeit ist eine Schlüsselvariable für ein befriedigendes Familienleben, daher kommt diese Variante für die meisten Familien nicht infrage", sagt sie. Abgesehen davon, dass es für viele "gar nicht möglich ist, mehrere Wochen Urlaub am Stück freizunehmen". Da stehe die "Logik von Familienleben und Schule der betrieblichen Logik" gegenüber.

Besonders für Alleinerziehende sind die langen Sommerferien eine Herausforderung.
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Besonders verschärft sei die Situation bei Alleinerziehenden – in den meisten Fällen alleinerziehende Mütter. "Einerseits sind sie stark auf ihre Berufstätigkeit angewiesen, andererseits können sie alleine diese lange Ferienzeit kaum überbrücken", sagt Zartler. Und die Betreuungsinstitutionen decken die nötigen Zeitspannen häufig nicht ab, sind oft zu teuer oder gar nicht vorhanden. Wer kann, setzt auf die Großeltern.

Zumindest theoretisch hat man im Regierungsübereinkommen bei den Vorhaben im Bildungsbereich an geplagte Erziehungsberechtigte gedacht: Entlastung der Eltern durch Anbieten von Lernmodulen in einer "Sommerschule", steht da als Ziel formuliert. Wann es so weit sein soll, konnte der STANDARD auf Nachfrage nicht herausfinden.

Dabei könnten Eltern Hilfe bei der Organisation des Ferienalltags dringend brauchen. Bei einer Befragung des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Akonsult gab vergangenen Juni fast die Hälfte der 600 befragten Eltern an, es sei sehr (19,6 Prozent) oder eher sehr schwierig (28,7 Prozent) für sie, im Sommer die Betreuung des Nachwuchses zu organisieren. Mehr als 68 Prozent setzen auf Hilfe aus der eigenen Familie, rund 13 Prozent der Eltern delegieren an Profis und buchen einen Platz in Sommercamps.

Rund ein Viertel der Befragten fühlt sich von den Kosten der Sommerbetreuung "sehr" oder "ziemlich stark" belastet. Die jetzt geplanten Herbstferien kamen übrigens gar nicht gut an: Fast zwei Drittel lehnten dieses Vorhaben ab. Manche können hingegen gar nicht genug kriegen und nehmen die Kinder auch während des Schuljahrs aus dem Unterricht. Je nach Schule ist das unterschiedlich geregelt, ob und wie oft solche Extraferien genehmigt werden.

Die Lehrer-Sicht: Vom Rhythmus, bei dem man mitmuss

Die neun Wochen Sommerferien waren zwar nicht das entscheidende Argument für den Beruf als Volksschullehrerin – dass es sie gibt, findet Frau X., die lieber anonym bleiben will, aber "perfekt": nämlich "um Abstand zu gewinnen" vom Irrsinn des Schulalltags. Netto handle es sich sowieso um eine Woche weniger, da bereitet Frau X. die Klasse vor, stimmt sich mit Kolleginnen ab. Gegen verpflichtende Weiterbildung während der "langen Ferien" hätte die junge Lehrkraft nichts, "aber da gibt es ja kaum Angebote". Stattdessen müsse sie ihre 15 Weiterbildungsstunden pro Jahr stets in den laufenden Schulalltag zwängen.

Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern liegt Österreich mit seiner Ferienregelung im Mittelfeld.
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Geht es nach Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), soll die Pflicht zur Weiterbildung in den Herbst verlegt werden. In der Woche rund um Allerheiligen will er künftig Herbstferien ausrufen und dafür einen Teil der schulautonomen Tage, die insbesondere Eltern mit mehreren Kindern an unterschiedlichen Schulen den Organisationsspagat abverlangen, opfern. Lehrer bekommen nicht frei.

An der Länge der Sommerferien soll sich nichts ändern. Vergleicht man die heimische Ferienregelung mit jener anderer Länder, liegt Österreich mit 13,5 Wochen im europäischen Mittelfeld. Allerdings: Deutlich häufiger als in Österreich werden Schulen bei den europäischen Nachbarn als Ganztagsschulen geführt.

Zusätzlich durchlöchert wird das Schuljahr durch religiöse Feiertage. Anders als bei den Katholiken listet etwa die Islamische Glaubensgemeinschaft dem Bildungsministerium die religiösen Festtage auf, dieses empfiehlt den Landesschulräten, dem Ansuchen stattzugeben.

Die Geschichte der Ferien beginnt mit der Einführung der Schulpflicht im Jahr 1774. Gutsherren wie Bauern hatten wenig Freude an der Regelung, gingen ihnen doch kostenlose Arbeitskräfte verloren. In der Folge gab es dann mehrwöchige Ernteferien. Berücksichtigung fanden auch die Wünsche der Kirchen, später auch jene der Fremdenverkehrswirtschaft, sagt Oskar Achs, wissenschaftlicher Leiter des Wiener Schulmuseums. Dazu kamen weiters geografische und klimatische Gründe – etwa Ferien im Winter wegen Kälte und Schneefalls. Das Fazit von Achs fällt ernüchternd aus: "Es geht dabei fast nie um die Bedürfnisse der Kinder. Im Mittelpunkt stehen die Interessengruppen und nicht die Kinder, für die die Schule eigentlich gedacht ist."

Jetzt kommen also noch Herbstferien. Michael Schratz, Professor für Schulforschung an der Uni Innsbruck, sieht darin kein Problem: "Entscheidend ist die Frage der Rhythmisierung, also die jeweiligen Abstände" zwischen den Ferien- und Unterrichtszeiten. Und, sagt er: "Die Rhythmisierung ist sowohl über den Tag als auch über das Jahr nicht gut gewählt." Besonders für die westlichen Bundesländer wird das Lernfenster im Herbst knapp: Schulbeginn ist am 10. September, am 26. Oktober stehen wieder Ferien an. (Peter Mayr, Karin Riss, 23. 3. 2018)