Die 18 Damen und Herren der Schwedischen Akademie, die über den Literaturnobelpreis und damit die am höchsten dotierte Poetenprämie des Planeten entscheiden, sind an sich Kummer gewohnt. Oft sorgen ihre im Vorfeld von Spekulationen umwogten Missentscheidungen für Hohn und Spott, immerhin aber auch für Diskussionen, was Literatur soll und was sie denn kann.

Allfällige Imageprobleme saß man in Stockholm bisher nobel aus. Man berief sich auf sein reines Gewissen, Tradition und die Schweigepflicht, der das Gremium unterliegt. In letzter Zeit allerdings sind die obersten Richter im Dichterwettbewerb arg ins Gerede gekommen. Nein, nicht mit Literatur. Es geht um Sex, Klientelismus und Klüngelei.

Im Zentrum des Skandals steht mit Jean-Claude Arnault der Gatte Katarina Frostensons, die der Akademie angehört. Er soll Frostensons Kolleginnen, Ehefrauen von Akademiemitgliedern sowie Kanzleimitarbeiterinnen sexuell belästigt und von seiner Frau Fördergelder für sein Kulturinstitut erhalten haben. Zudem behält er Geheimnisse nur ungern für sich, so seien die Namen von Nobelpreisträgern vorab verraten worden. Eine von der Akademievorsitzenden Sara Danius beauftragte Anwaltskanzlei empfahl vergangene Woche, gegen Arnault Strafanzeige zu erstatten. Nicht nur der König zeigte sich als "oberster Beschützer" der Akademie "not amused", auch Akademiemitglieder wollten per Abstimmung den Ausschluss Frostensons erzwingen – ohne Erfolg. Drei Juroren traten zurück, zwei weitere wollten schon vorher nicht mehr mittun. Das war insofern ein Problem, als Akademiemitglieder auf Lebenszeit gewählt sind, also nicht ersetzt werden können, solange sie leben.

Donnerstagnacht warf auch die entnervte Danius das Handtuch. Jetzt trat endlich Frostenson zurück. Mit nunmehr elf Mitgliedern (zwölf wären notwendig) ist die Akademie nicht mehr beschlussfähig. Wie es weitergehen soll, weiß keiner. Not tut nun nicht nur eine Änderung der Statuten aus dem Jahr 1901. Das Beste wäre wohl, ein völlig neues Gremium zu konstituieren. Auch wenn für Arnault nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt, zeugt es von Realitätsverlust, dass Teile der Akademie, die sich in letzter Zeit in ihren Entscheidungen gern populär gab, unbeirrt an Frostenson festhielten. Man wählte den bequemsten Weg: Mauern, Schweigen und Aussitzen. Ihrem Motto "Snille och Smak" ("Genie und Geschmack") ist die Akademie in dieser Causa nicht gerecht geworden – im Gegenteil. (Stefan Gmünder, 13.4.2018)