Zum 1. Mai warnt Ex-Frauenministerin Heinisch-Hosek (SPÖ) vor dem Zwölf-Stunden-Arbeitstag, den die Regierung noch heuer unter Dach und Fach bringen will. Im STANDARD-Interview kritisiert sie, dass das Ansinnen von ÖVP und FPÖ mit der Kinderbetreuung kaum vereinbar sei – und Heinisch-Hosek kann sich auch "lebhaft vorstellen, dass es für Frauen dann schwieriger wird zu einer Vollzeitanstellung zu kommen", weil die Betriebe dann wohl lieber Männer einstellen.

STANDARD: Die Koalition will über den Sommer den Zwölf-Stunden-Arbeitstag mit einem Wochenmaximum von sechzig Stunden unter Dach und Fach bringen – was die SPÖ heftig kritisiert. Soll da nicht ein Zustand legitimiert werden, der in einigen Branchen ohnehin schon Realität ist?

Heinisch-Hosek: Die Regierung will, dass die bisherigen Ausnahmen zur Regel werden – was gesundheitsschädlich, aber aus meiner Sicht auch höchst familienfeindlich und frauenfeindlich ist!

STANDARD: In Plan A von SPÖ-Chef Christian Kern war der Zwölf-Stunden-Tag aber doch auch enthalten?

Heinisch-Hosek: Durchaus, aber deutlich anders. Darin war zuerst daran gedacht, dass Teilzeitkräfte per Rechtsanspruch auf Vollzeit umsteigen können – und wenn gewünscht, war auch eine Verkürzung der Vollarbeitszeit vorgesehen. Erst im Nachspann sah der Plan A begleitend dazu eine Flexibilisierung der Arbeitszeit vor – und nur bei Bedarf von beiden Seiten – also Betrieben und Arbeitnehmern. Aber jetzt ist quasi eine Enteignung von ArbeitnehmerInnenrechten geplant.

Ex-Frauenministerin Heinisch-Hosek (SPÖ) zerpflückt jetzt schon den koalitionären Zwölf-Stunden-Tag: "Bei den Alleinerziehenden wird es sich hinten und vorne spießen", prophezeit sie.
Foto: APA / Georg Hochmuth

STANDARD: Gibt es für Sie gar keine Berufsgruppen, für die das alles Sinn sehr wohl machen wird?

Heinisch-Hosek: Wenn man jung, dynamisch und kinderlos ist, sind Zwölf-Stunden-Tage vielleicht in Sparten, die von Digitalisierung geprägt sind, von Vorteil. Aber das kann kein Dauerzustand sein, den man ewig durchhalten kann. Ich befürchte, bei einem Durchrechnungszeitraum von zwei Jahren, wie das die Regierung womöglich vorsieht, gibt es kaum mehr die Möglichkeit für Überstundenzuschläge bei Mehrarbeit.

STANDARD: Details rund um den geplanten Durchrechnungszeitraum sind bis dato kaum durchgesickert – und Überstundenzuschläge werden beibehalten, wird versichert.

Heinisch-Hosek: Stimmt. Aber die zwei Jahre Durchrechnungszeitraum entsprechen den einst geäußerten Wünschen der Wirtschaft, also ist da höchste Vorsicht geboten.

STANDARD: Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache etwa argumentierte bisher vor allem mit der Baubranche, die ja männlich dominiert ist – weil durch die Möglichkeit eines Zwölf-Stunden-Tages mehr Freizeitblöcke entstünden, sodass die Arbeiter mehr Zeit mit den Familien verbringen könnten.

Heinisch-Hosek: Die wichtigste Frage lautet aber: Ist der Zwölf-Stunden-Tag überhaupt mit Kindern vereinbar? Wenn der Papa gerade Zeit hat, kann er die Kinder nämlich schlecht für einen Tag aus der Volksschule nehmen – und außerdem gibt es für diese Altersklasse auch kaum Betreuungsmöglichkeiten für zwölf Stunden. Somit werden in den Familien vor allem die Frauen die Zwölf-Stunden-Tage der Männer abzufangen haben, was die Versorgungsarbeit betrifft.

STANDARD: Befürchten Sie, dass in den Betrieben vielleicht dann auch weniger Frauen eingestellt werden?

Heinisch-Hosek: Natürlich, kann ich mir lebhaft vorstellen, dass es für sie schwieriger wird zu einer Vollzeitanstellung zu kommen. Parallel dazu werden Frauen wohl noch öfter in die Teilzeitarbeit gedrängt und die Männer noch mehr zur Mehrarbeit angehalten – und bei den Alleinerziehenden wird es sich hinten und vorne spießen.

STANDARD: Was wäre denn Ihre Alternative?

Heinisch-Hosek: Ich bin dafür, dass wir es dabei belassen, wie es jetzt ist: Denn es gibt bereits die Möglichkeit, dass man bis zu zehn Stunden pro Tag arbeiten kann und bis zu 50 Stunden pro Woche – über einen Durchrechnungszeitraum von 24 Wochen. Im EU-Schnitt wird maximal 48 Stunden pro Woche gearbeitet, wir sind daher flexibel genug.

STANDARD: Mit den Sozialpartnern war man aber schon weiter?

Heinisch-Hosek: Es ist jetzt schon viel Flexibilisierung bei der Arbeitszeitgestaltung in den Betrieben möglich. Aber zwölf Stunden dürfen nicht zur Norm werden. Wir SPÖ-Frauen plädieren für eine stufenweise Arbeitszeitverkürzung auf 33 bis 35 Stunden, damit weniger Überstunden für alle anfallen – und die Menschen wieder mehr Zeit miteinander verbringen können. (Nina Weißensteiner, 1.5.2018)