Am Dienstag steht die Englisch-Zentralmatura an. Der Weg von einer Prüfungsidee zur tatsächlich wählbaren Maturaaufgabe ist lang.

Foto: APA/Techt

Wenn am Dienstag die Kuverts mit den Fragen der Englisch-Zentralmatura vor den rund 45.000 Kandidatinnen und Kandidaten liegen, steckt seine Abteilung dahinter: Peter Simon ist im Bildungsministerium für die Koordination und Qualitätssicherung der Aufgaben zuständig, die eigentliche Aufgabenproduktion wird von rund 180 Lehrerinnen und Lehrern aus ganz Österreich übernommen.

"Wir achten dabei besonders auf Ausgewogenheit, Themen- und Inhaltsvielfalt", erklärt Herr Simon – und weil es für viele der insgesamt zwölf Prüfungsgegenstände unterschiedliche Kompetenzniveaus gibt, müssen die Prüfungsfragen neben dem allgemeinen Teil dann noch auf das jeweilige Schulmodell maßgeschneidert werden. Die "Ingenieursmathematik" für HTL-Absolventen ist für Schülerinnen und Schüler einer Bildungsanstalt für Elementarpädagogik etwa unbrauchbar. Einzig in Deutsch haben wirklich alle die exakt gleichen Aufgabenstellungen vor sich.

Pool mit potenziellen Aufgaben

Die Genese einer solchen Maturaaufgabe beschreibt Herr Simon auch am Beispiel Fachbereich Deutsch: Am Anfang steht die Idee, etwa ein Text, den einer aus dem Lehrer-Entwicklungsteam für geeignet hält. Daraufhin wird in der Gruppe erarbeitet, welche Textsorte gut zu diesem Thema passen könnte. Außerdem brauche es eine thematische Klammer mit einer zweiten, damit zusammenhängenden Aufgabenstellung. Das Ganze wird also probiert und wieder verworfen, so lange, bis eine Reihe von Personen, die an der Erarbeitung der Prüfungsfrage nicht mitgewirkt haben, versuchen, die Texte zu schreiben. Wenn dann auch noch das Anforderungsniveau in Bezug auf den Lehrplan passt, kommt die Aufgabenstellung in den Pool der potenziellen Fragen. Alles in allem würden da schon zwei bis drei Jahre vom Zeitpunkt der ersten Idee bis zur Veröffentlichung im Matura-Aufgabenheft vergehen, erklärt Herr Simon.

Auch heuer wieder konnte bei der Deutsch-Zentralmatura aus drei Themenpaketen gewählt werden, "eines davon muss immer aus dem literarischen Bereich sein", heißt es. Dass das manchen, insbesondere literaturaffinen Deutschlehrern zu wenig scheint, kann Herr Simon schon nachvollziehen, allerdings: "Die Liebe zur Literatur wird sicher nicht durch die Prüfung beeinflusst. Es wäre schlimm, wenn Literatur in der Oberstufe auch nur einen so geringen Teil des Lehrplans ausmachen würde."

Vergleiche werden nicht veröffentlicht

Wie die Themenstellungen bei den jungen Maturantinnen und Maturanten ankommen, darüber erhält man im Bildungsministerium ebenso Rückmeldung wie über das unterschiedliche Abschneiden von Mädchen und Burschen. "Was wir nicht wissen, ist, ob jemand das geringste Übel gewählt hat oder ob er vor der Qual der Wahl gestanden ist", sagt Herr Simon. Weil man die Schüler nach absolvierter Prüfung aber nicht mit Bürokratie belästigen will, sieht man von einer Befragung über die Qualität der Fragen gleich im Anschluss an die Matura ab.

Die Schulen selbst erhalten detailliertes Feedback über die Resultate ihrer Schüler und können sich auch mit anderen Schulen vergleichen. Veröffentlichen will man diese Vergleiche von Seiten des Bildungsministeriums nicht: "Wir wollen keine Rankings", sagt Herr Simon und argumentiert "nur weil eine Schule besonders gut abschneidet, heißt das noch nicht, dass das auch die beste Schule für mein Kind ist". Um die Resultate besser einordnen zu können, müssten zudem eine Reihe weiterer Faktoren, wie etwa die soziodemographische Zusammensetzung an der jeweiligen Schule veröffentlicht werden.

"Kulturbruch überwunden"

Schon seit längerem werde jedoch darüber nachgedacht, auch die Korrektur der Maturaaufgaben nicht mehr am Standort selbst durchzuführen. Derzeit ist das ja der Fall, in einem eigenen Manual für Lehrkräfte gibt das Bildungsministerium Hilfestellung für die Korrektur der Arbeiten. Geschult und supervidiert sollten sich Lehrerteams an die Verbesserung der Schülerleistungen machen, dem stehen aber noch mindestens drei Hürden im Weg: die Kostenfrage, schließlich müssten alle Maturaaufgaben eingesammelt und an die Korrekturteams neu verteilt oder – noch mehr Zukunftsmusik – elektronisch verarbeitet werden; die Notwendigkeit einer politischen Entscheidung; und eine damit verbundene Gesetzesänderung.

Nach anfangs recht massiver Kritik an der Zentralmatura, die bereits vor der Einführung im Jahr 2013 von vielen allgemeinbildenden höheren Schulen ab 2008 im Rahmen von Schulversuchen erprobt wurde, sieht Herr Simon den "Kulturbruch" jetzt weitgehend überwunden. Rund 14 Prozent derjenigen, die im Mai und Juni 2017 zur Reifeprüfung angetreten sind, haben die Matura bei diesem Termin nicht geschafft, Mädchen schnitten dafür im Vorjahr fast gleich gut ab wie Buben (86,4 Prozent Erfolgsquote zu 86,1 Prozent bei den Buben). Heuer werden die Ergebnisse der schriftlichen Matura Ende Mai feststehen, am 5. und 6. Juni können diejenigen, die einen zweiten Anlauf brauchen, zur Kompensationsprüfung antreten. (Karin Riss, 8.5.2018)