Die Stadt Wien werde den Vorschlag der türkis-blauen Regierung über ein Kopftuchverbot diskutieren, "sobald etwas auf dem Tisch liegt. Da ist bis dato aber noch nichts da", heißt es aus dem Büro von Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ).

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Über den Vorstoß von FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache, dass es zum Kopftuchverbot in Kindergärten noch im Sommer eine 15a-Vereinbarung mit den Ländern geben soll, ist man in Wien hochgradig verwundert. "Es gibt keine Verhandlungen mit dem Bund, es gibt auch keine Gesprächstermine. Es liegt uns auch kein Vorschlag der Regierung zum Kopftuchverbot vor", hieß es am Montag aus dem Büro von Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) zum STANDARD. Der Strache-Vorstoß sei einzig eine "Nebelgranate", um von anderen Themen wie dem Zwölfstundentag abzulenken.

Es gebe zwar aktuell Verhandlungen auf Beamtenebene über drei Bund-Länder-Vereinbarungen im Schul- und Kindergartenbereich. Bei der letzten Sitzung Ende Mai sei das Thema Kopftuchverbot aber nicht einmal erwähnt worden.

Eigentlich Regelung bis Schulschluss angekündigt

Die Stadt Wien werde den Vorschlag der türkis-blauen Bundesregierung diskutieren, "sobald etwas auf dem Tisch liegt. Da ist bis dato aber noch nichts da." Eigentlich wollte die Regierung bereits bis zum Schulschluss eine Regelung zum Kopftuchverbot in Kindergärten und Schulen erarbeiten, daraus ist aber nichts geworden. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) sagte zum STANDARD, dass es sich um ein "ziemlich komplexes Thema" handle, das noch Zeit brauche.

Wiens Bildungsstadtrat Czernohorszky tritt nicht aktiv für ein Kopftuchverbot in Kindergärten und Volksschulen ein. Es gebe aber bereits eine Regelung, dass bei jedem kopftuchtragenden Kind das Gespräch mit den Eltern gesucht werde, heißt es aus seinem Büro. Falls notwendig, werde dann die Jugendwohlfahrt eingeschaltet. Die Haltung Wiens sei klar: Man wolle keine Kopftücher in Kindergärten und Schulen.

In Wiener Kindergärten gebe es diesbezüglich "nur eine Handvoll Fälle", auch in den Volksschulen gebe es "keine gravierenden Fallzahlen". Eine Statistik, wie viele kopftuchtragende Kinder es in Kindergärten und Volksschulen gibt, führt Wien aber nicht.

Kritik aus Kärnten

Der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser reagiert äußerst kritisch auf Straches Ankündigung. Er werde es nicht zulassen, "dass das zu einem andauernden Sommerlochthema wird", sagte Kaiser zum STANDARD. Er stelle sich zwar nicht grundsätzlich gegen die Verhandlung und warte ab, welchen Vorschlag die Regierung unterbreite. Diese "immer dann wiederkehrende Debatte, wenn es für ÖVP-FPÖ brenzlig wird", sei aber nicht mehr als ein "einfach zu durchschauendes Ablenkungsmanöver". Österreich brauche "eine umfassende und ernstgemeinte Integrationsdebatte mit vielschichtigen Lösungen. Aber daran ist diese ÖVP-FPÖ-Regierung gar nicht interessiert", meint Kaiser.

Graz stellt Bedingungen

Einfach dürften die Verhandlungen mit den Ländern jedenfalls nicht werden. Einige Landespolitiker stellen bereits Bedingungen. So kann sich der steirische Vizelandeshauptmann Michael Schickhofer (SPÖ) zwar vorstellen, dem Kopftuchverbot zuzustimmen, allerdings nur als Teil eines größeren Paketes, das auch Sprachkurse und den Ausbau der Kindergärten umfasse. Im Burgenland zeigt man sich "gesprächsbereit, obwohl ein Kopftuchverbot in unseren Kindergärten absolut kein Thema ist", heißt es aus dem Büro von Familienlandesrätin Verena Dunst (SPÖ). Viel wichtiger sei es, endlich die bald auslaufenden Vereinbarungen zum Ausbau der Kinderbetreuung, zur sprachlichen Frühförderung und zum Gratiskindergartenjahr zu verlängern.

"Lassen uns nicht erpressen"

In Salzburg zeigt das Büro von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) zwar Wohlwollen, Bildungslandesrätin Andrea Klambauer (Neos) ist hingegen verwundert über Straches Vorstoß. Der Vizekanzler "will das Ausländerthema in jede Diskussion pressen" und versuche jetzt die Verhandlungen zum Kindergartenausbau für das Kopftuchthema zu missbrauchen. "Aber wir lassen uns nicht von seiner Ideologie erpressen", erklärte Klambauer. Vor dem Hintergrund des neuen Arbeitszeitgesetzes sei es nun wichtiger, flexible Kinderbetreuung anbieten zu können.

Im ÖVP-regierten Vorarlberg hält man ein Kopftuchverbot ebenfalls nicht für das drängendste Problem im Bildungsbereich. Es betreffe nur ganz wenige Kinder, sagt Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP).

Wo Strache seine Zahlen herhat

Auf welche Zahlen sich Strache stützt, der im Ö1-Interview von "tausenden betroffenen Mädchen" sprach, kann man im Bildungsministerium jedenfalls nicht nachvollziehen. Jene Erhebung, die erstmals ermitteln soll, wie viele Mädchen verschleiert sind, wurde nämlich noch gar nicht in Auftrag gegeben, hieß es am Montag auf STANDARD-Anfrage. (David Krutzler, Walter Müller, Maria Sterkl, 9.7.2018)