Gefeierter Komponist: Gottfried von Einem (1918-1996).

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Salzburg – "Ich bin zum Prügeln bestellt, also prügele ich ... Warum wollen Sie sich denn nicht fügen? Es will doch jeder Richter so gemalt werden, wie die alten großen Richter gemalt worden sind ..." Trefflich scheint Dichter Franz Kafka in seinem Roman Der Prozess aus 1925 aktuelle "rechtsstaatliche" Entwicklungen in Europa nachzuzeichnen und zu kommentieren.

Und auch Gottfried von Einems Oper Der Prozess (nach Kafkas Roman) lehrt 65 Jahre nach ihrer Uraufführung bei den Salzburger Festspielen das Fürchten. Albtraumhafte Eingriffe eines über jeglicher Gerichtsbarkeit stehenden Gerichts in das Leben eines Unbescholtenen sind hier musikalisch eingefangen. Wie auch ein Unschuldiger, der akzeptiert, dass er Schuld auf sich geladen haben muss. Schließlich sucht nicht die Behörde "die Schuld in der Bevölkerung", vielmehr wird sie von dieser Schuld angezogen.

Am Abgrund kämpfen

Also: Täter-Opfer-Umkehr dort, wo es zunächst weder Täter noch Opfer gibt. Dazu ertönt die rhythmisch pulsierende, ungeniert swingende und oft scheinbar so plakative Musik Gottfried von Einems. Da lässt der Komponist mit leichter und "leichtfertiger" Hand eine barocke Form wie die Passacaglia über einem Zwölftonmotiv pochen. Dort verhöhnen Big-Band-Sound und Swing den am Abgrund Kämpfenden.

Eine geradezu "unflätige" Melodie im Ohr, taumelt K. am Ende in die Messer seiner Schächer – dann feierliche Bläserfanfaren im harmonischen Freiflug ... Und all das über ununterbrochen wechselnden pochenden Rhythmen.

Dirigent und Komponist HK Gruber leitete bei der Aufführung in der Felsenreitschule das ORF Radio-Symphonieorchester Wien mit messerscharfer Präzision: Diese beinharte Unerbittlichkeit im Grundschlag machte die Absurdität des rhythmischen Pandämoniums umso drastischer offenbar.

Gesungen hat ein handverlesenes Ensemble, das keine "Opernpartien" abzuliefern, sondern sich beinah "instrumental" in das bizarre rhythmische Grundgeflecht einzufügen hat.

Küsschen für Noten

Michael Laurenz gab Josef K. unzählige Facetten des Aufbegehrens und des Sich-Fügens. Jochen Schmeckenbecher war ein bedrohlicher Aufseher und Geistlicher im Dienst der Macht. Mit technischer Souveränität, stimmlicher Brillanz und stuppender Textdeutlichkeit haben auch Matthäus Schmidlechner (als Student der Rechte), Jörg Schneider (als Gerichtsmaler Titorelli), Lars Woldt (als Untersuchungsrichter und Prügler), Ilse Eerens und Anke Vondung agiert. Gradios. Und nett: HK Grubers Küsschen auf die Partitur. (Heidemarie Klabacher, 15.8.2018)