Wer das alte Sapporo Inn am Heumarkt kannte, der wird es im neuen Han am Stadtpark – gut poliert – wiedererkennen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Köstlich: Die verkostete Bulgogi Chongol mit mariniertem Rindfleisch wurde als besonders mild angepriesen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Sapporo Inn war schon ein "japanisches" Restaurant, als Wien noch überzeugt war, dass man an rohem Fisch zugrunde geht und Miso eine stinkige Paste ist, die im Zweifelsfall unter den Regalen muffiger Reformhäuser zusammengekratzt wird – solches Zeug wollten damals nur die ganz Verlorenen unter den Jesuspatscherln.

Der ehrwürdige Herr Yu war als Spiritus Rector stets die bestimmende Figur des längst legendenumwobenen Lokals. Das Angebot hatte er im Lauf der Jahre freilich mehr in Richtung der Küche seiner Heimat gedreht – und die war, wie so oft bei Wiener Japanern, eben nicht Japan. Dafür konnte man hier fallweise ziemlich spitze Schanghai-Küche essen. Die neue Betreiberin heißt Bora Höllermeier und ist, samt makellosem Gymnasiasten-Wienerisch, Koreanerin. Für den bajuwarischen Nachnamen trägt der oberösterreichische Ehemann die Verantwortung.

Etwas Echtes

Das Han am Stadtpark sperrte sie nach Jahren in der High-End-Hotellerie im In- und Ausland gemeinsam mit ihren Eltern auf. Myungsoon Chong und Kwangsik Lim haben seit langem in gut beleumundeten Wiener Japanern gearbeitet, die in Wahrheit eben von Koreanern oder Chinesen betrieben wurden. Jetzt war es an der Zeit, gemeinsam mit der Tochter etwas ganz Echtes aufzumachen.

Das wird, und das ist sehr schön, schön langsam Trend in Wien: Zuletzt sperrte das einstige Kyoto in der Singerstraße als koreanisches Sura neu auf, demnächst wird es im einstigen Haubenjapaner EN als koreanisches Damso weitergehen. Und am Schwedenplatz gibt es oberhalb des Billa mit dem Babida (früher Chinese Court) jetzt einen Koreaner mit hochgradig exotischen Köstlichkeiten und skurrilem Panoramablick auf die Morzinplatz-Tankstelle, den Pusher-Beserlpark davor und den Kaiverkehr dahinter. Wird hier alles noch durchgenommen!

Im Han ist die Speisekarte implizit aufs Teilen ausgelegt, nicht zufällig wurden die alten Sitzecken samt Sechsertischen des Sapporo Inn ebenso übernommen wie die als japonistische Tempeltore stilisierten Raumteiler.

Wer eine Vorspeise wie den mit Jungzwiebel und Meeresfrüchten angereicherten, knusprigen und innen fast cremig weichen Pfannkuchen Hemul Pa Chon ganz allein verdrückt, hat zwar gut gegessen, aber garantiert keinen Platz für ein Hinterher. Auch Modum Twigim, federleichte und doch herrlich fette Tempura aus Garnelen, Fischfilets und allerhand Gemüse, will man nicht ganz für sich allein.

Bei Dubu Twigim, einer – zugegeben viel kleineren – Portion frittierten Tofus in rauchiger Ganchang-Sauce mit Bonitoflocken (gehören eindeutig ins Suchtmittelgesetz) und umamisatter Kombu-Alge, ist das anders, weil ebenso leicht wie geschmackstief und schlicht verboten gut. Auch Hoe Dobbab, warmer Reis mit einem Topping aus knackiger Rohkost, Kräutern und rohem Lachs samt spektakulär gutem Dressing, ist die Sünde allemal wert.

Suppe als Monument

Das Allerbeste aber sind die riesigen, für mindestens zwei Personen aufgetragenen Chongol-Suppentöpfe mit flutschigen Bohnen-Glasnudeln, die bei Tisch frisch aufgekocht werden und mit einem wahren Berg aus Kräutern, Pilzen und Gemüsen bedeckt sind. Gibt es in verschiedenen und verschieden scharfen Varianten. Die verkostete Bulgogi Chongol (siehe Bild) mit mariniertem Rindfleisch wurde als besonders mild angepriesen.

Was zu Tisch kam, war eine so restlos glücklich machende Riesenportion heißer, aromatischer und bis zum letzten Tropfen abenteuerlich köstlicher Power-Essenz, dass man die anderen Varianten erst irgendwann nach Monaten wird kosten können. Derweil einmal führt an diesem dampfenden Monument einer Suppe leider kein Weg vorbei. (Severin Corti, RONDO, 16.11.2018)

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