Der Arbeits- und Sozialrechtsexperte Franz Marhold kritisiert die geplante Indexierung der Familienbeihilfe und das vorgelegte Gutachten der Regierung scharf.

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Salzburg – Nachdem er als Favorit für die Besetzung des offenen Postens beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom Tisch ist, hat der Arbeits- und Sozialrechtsexperte Franz Marhold am Donnerstagnachmittag bei einem Vortrag in Salzburg die geplante Indexierung der Familienbeihilfe scharf kritisiert. Erneut betonte Marhold: "Geltendes Europarecht schließt eine Indexierung der Familienbeihilfe aus." Dieser juristische Standpunkt dürfte den Rechtswissenschafter den Posten beim EuGH gekostet haben. ÖVP und FPÖ haben sich nun auf Andreas Kumin als neuen EuGH-Richterkandidaten verständigt.

"Ich verbiege mich in der Frage nicht", sagte Marhold. Die Indexierung – also die Anpassung an die Lebenshaltungskosten des Landes, in dem die Kinder leben – verstoße gegen mehrere Artikel des Europarechts und auch gegen Grundfreiheiten der EU, etwa den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Recht auf Freizügigkeit sowie die Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit. "Doch den Regierungsmitgliedern fällt nichts anderes ein, als zu sagen, wir haben ein Gutachten", kritisierte der Vorstand des Instituts für Österreichisches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der WU Wien.

Für Unternehmer wäre das strafbar

"Es geht um Kostenneutralität der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer. Letztlich ist es Sozialdumping", betonte Marhold. "Was der Nationalrat beschlossen hat, ist staatlich beschlossenes Sozialdumping. Würde das ein Unternehmer machen, wäre das ein Verstoß gegen Arbeits- und Sozialrecht und somit strafbar."

Es gebe genügend Entscheidungen des EuGH, die zeigen, dass die Indexierung gegen Europarecht verstoße. Diese seien in dem Gutachten aber nicht berücksichtigt worden. "Die Rechtslage ist relativ eindeutig", sagte der Arbeitsrechtsexperte. Doch das Gutachten des Arbeits- und Sozialrechtlers Wolfgang Mazal, auf dessen Expertise sich die Regierung beruft, beschäftige sich nur auf 19 Zeilen mit der Rechtsprechung des EuGH. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Pinna werde gänzlich ausgelassen.

"Total nationaler Standpunkt"

"Der Gutachter hat mir vorgehalten, Pinna habe nicht damit zu tun. Das sieht der EuGH-Präsident aber anders", sagte Marhold und verwies auf ein Interview mit Koen Lenaerts in der "Wiener Zeitung", in dem er die Causa als Beispiel anführte und betonte, der Gleichheitsgrundsatz gelte für Arbeitnehmer aus anderen EU-Ländern uneingeschränkt.

Das Gutachten verzichte zudem auf die Darstellung der einschlägigen Literatur, erklärte Marhold. Dann würden über 20 Seiten Ausführungen zum österreichischen Recht und zum Verfassungsrecht folgen. "Das ist ein total nationaler Standpunkt", ärgerte sich Marhold. "Das Gutachten verkennt die autonome Interpretation. Das muss europarechtlich bewertet werden. Da hilft das nationale Recht nichts. Das weiß eine Absolventin der Studieneingangsphase." (Stefanie Ruep, 16.11.2018)