Normalerweise ist meine Frau Gabriele nicht nur eine bildhübsche, sondern auch eine sehr genügsame, zuvorkommende und charmante Frau. Als sie aber nicht aus der Almhütte kann und in der Tür stehen bleiben muss, weil gerade der Suzuki Jimny mit einem Radl die vier Stufen zum Eingang hochfährt, beginnt ihre kleine Ader an der Stirn anzuschwellen.

Das bedeutet Folgendes: erstens, und das ohne Zweifel, Rückzug. Zweitens: Entweder sie will mit dem Auto fahren, oder, Vorhof zur Hölle, sie hat Hunger. Blöderweise sind wir gerade erst eine gute Stunde mit dem Jimny unterwegs gewesen. Auto gefahren sei sie nach eigenen Worten für heute genug. Außerdem, wenn uns der Bauer erwischte.
Da hat sie recht. Nichts Schlimmeres könnte uns heute passieren, als den Bauern zu treffen. Aber nicht, weil dessen Ader schwellen könnte, wenn er sieht, wie wir in seinem Wald den Jimny völlig vergebens an seine Grenzen bringen wollen. Nicht einmal einen Reifenabdruck hinterlässt der gerade einmal 1090 Kilogramm schwere Geländewagen.

Der Bauer selbst hat den 90er schon hinter sich und fährt ebenfalls einen Jimny. Wobei der Bauer besser ausschaut als der Suzuki. Viel Liebe haben wohl beide ihren Lebtag nicht bekommen. Aber seinem Jimny sieht man das deutlicher an. Salz hat die Kotflügel perforiert. Das einzige Wasser, welches das Auto abbekommen hat, fiel vom Himmel oder verschwand nicht schnell genug im Boden. Der Jimny und der Bauer sind beide ihren Lebtag lang Arbeitstiere. Einen großen Unterschied gibt es aber zwischen den beiden. Der eine beginnt zu strahlen, wenn er zu Gabriele aufschaut, der andere ist noch so beweglich und stark wie am ersten Tag.

Ob der Gabriele die ganze Aufmerksamkeit zuteilwerden würde, wenn der Bauer den neuen Jimny sähe? Das ist eine Frage auf die wir lieber keine Antwort finden, denn so oder so könnten wir unseren Abendtermin nicht einhalten.
Konkurrenzlos
Während ein Hersteller nach dem anderen dem Geld nachspringt und einen SUV baut – Lamborghini, mit dem Bentley haben wir schon den Bauern getroffen, was ihn sowas von gar nicht beeindruckte, Rolls-Royce und sogar der nächste Defender wird eine selbsttragende Karosserie haben -, pfeift Suzuki auf Downsizing bei den Motoren, größere Autos und blunzige Formen – und ist mit dem Geländewagen auf Leiterrahmen so erfolgreich, dass er bei uns bis in den Herbst 2019 ausverkauft ist.

Den neuen Suzuki Jimny kann man mit ein paar einfachen Strichen nachzeichnen. Er hat klare Kanten, große Fenster, ist außen klein, innen riesig. Zumindest wenn man die hinteren Sitze nur zur Not zum Sitzen verwendet, sonst aber umlegt und sich über einen stattlichen Kofferraum mit flachem Ladeboden freut. Es macht den Eindruck, als hätte Suzuki den Mercedes G hergenommen und ihn erst geschrumpft und dann auch noch besser gemacht. Schon das Design zeigt, dass das wirklich so gewesen sein könnte.

Der Jimny hat aber eine Reihe von Vorteilen, von denen ein G nur träumen kann. Ob des geringen Gewichts ist der Wagen im Gelände kaum an seine Grenzen zu bringen, und die nackten Werte können sich auch sehen lassen: Bodenfreiheit 21 Zentimeter, Böschungswinkel 37 Grad vorne, 49 Grad hinten, Rampenwinkel 28 Grad.

Was Menschen wie den Bauern freut, ist der Leiterrahmen, auf dem der Jimny aufbaut, denn so verschränkt kann man dann gar nicht stehen, dass nicht alle Türen problemlos auf- und zugehen würden. Der kleine 1,5-Liter-Benziner ist jetzt nicht so ein Drehmomentbär wie der G 500. Macht aber nichts. Zum einen hebt der Motor nun selbsttätig die Drehzahl an, wenn es beim langsamen Kraxeln notwendig ist, zum anderen braucht das handliche Auto mit Starrachsen eh keine enormen Kräfte, um überall hinzukommen.
Unterm Strich ist klar: Man kann einen Vollidioten mit diesem Auto im Gelände aussetzen, und er wird lächelnd daheim ankommen, so einfach ist der Jimny zu fahren. Dabei braucht er auf den Forststraßen im Wald nicht einmal den Allradantrieb, geschweige denn die Untersetzung. Der Jimny flitzt durch den Forst, dass man sich schon wie ein Rallyefahrer fühlt. Ganz arg, mit dem kleinen Auto.
Staubfrei
Was er nicht so gut kann wie der G, das ist das Pressen auf der Autobahn. Der Jimny fühlt sich im Gelände am wohlsten. Am Bandl sind ihm 100, 110 km/h am liebsten. Dann ist er leise, komfortabel und bringt dich mit der stoischen Ruhe eines zielstrebigen Elefanten ans Ziel. Was er dafür besser kann, das ist wenig Sprit brauchen, und das, weil Suzuki auf den Turbo-Downsizing-Hokuspokus verzichtet. Normverbrauch: 6,8 Liter. Testverbrauch: 7,2 Liter. Und das, obwohl er auf der Autobahn doch manchmal herhalten musste und die Runden mit der Untersetzung im Gelände für die Schnittmessung wie ein Loch im Tank sind.
Um nicht einmal 21.500 Euro gibt es den Jimny als flash, also volle Hütte mit Klimaautomatik, konnektivem Touchscreen, LED-Scheinwerfern und jeder Menge Assistenten. Einen Tausender mehr kostet die Vier-Gang-Automatik.
"Schau auf die Uhr, stell endlich den Wagen ab, zieh deine Bergbock an, wir gehen rauf zum Wirten", brüllt mich plötzlich jemand durchs offene Fenster an. Mit dem Jimny fahren geht natürlich nicht. Wenn uns der Bauer erwischte, müsste sie elendiglich verhungern. Ob ich das echt wolle?
3.000 Kasspotzn-Kalorien später dreht sich die Welt wieder rund. Sogar die Erlaubnis zum Kauf eines Jimny gibt's. So sie halt im Gegenzug den G 500 bekommt, mit dem wir am Wochenende davor unterwegs sein mussten. (Guido Gluschitsch, 5.12.2018)