Wilhelm Brauneder (als Vortragender im Bild), ehemaliger Nationalratspräsident und Urgestein der FPÖ, setzte sich mit deren Vergangenheit und der Gegenwart der Burschenschaften auseinander.

Foto: APA/Neubauer

Wilhelm Brauneder ist unschuldig. Der Chef jener Historikerkommission, die im Auftrag der FPÖ die dunklen Flecken in der Partei erforschen soll, hat seine Arbeit getan. "Es gibt den vorläufigen Bericht, den ich für Vizekanzler Heinz-Christian Strache abgefasst habe", sagt er im STANDARD-Interview. Dass diese Ergebnisse nicht, wie geplant, heute, Dienstag, präsentiert werden, liegt nicht am Kommissionschef, sondern am Auftraggeber. Die FPÖ hat die Pressekonferenz aus terminlichen Gründen verschoben, wie sie Brauneder mitteilte.

Keine Heimlichtuerei

Bleibt also weiter im Dunkeln, wer für das freiheitliche Projekt forscht und worüber? "Es gibt keine Heimlichtuerei", sagt Brauneder. Der Endbericht sei in unterschiedliche Beiträge gegliedert, die von der Kommission jeweils in Auftrag gegeben wurden. "Ist ein Beitrag fertig, steht auch der Autorenname dabei."

Doch auch ohne Pressekonferenz nennt Brauneder erste Namen: "Thomas Grischany, Historiker und Lektor an der Webster Vienna Private University, hat Analysen zu den FP-Parteiprogrammen, Grundsatzreden und sonstigen Niederschlag etwa in den stenografischen Protokollen gemacht", sagt der emeritierte Jusprofessor. Weiters habe sich der Historiker und Jurist Michael Wladika die NS-Vergangenheit von FPÖ-Funktionären angesehen. "Das gehört meiner Meinung noch etwas statistisch ausgewertet: also wie viele in der Gründungsphase NSDAP-Mitglieder waren oder von woanders zur FPÖ kamen."

Der frühere "FAZ"-Redakteur und Professor Reinhard Olt habe einen Beitrag zur Südtirolpolitik der FPÖ geliefert. Mit an Bord ist auch der Historiker Lothar Höbelt: "Er widmet sich der Anfangsgeschichte von VdU und FPÖ – insbesondere in Oberösterreich."

Weitere Beiträge geplant

Geplant sind weitere Beiträge. "Als Arbeitstitel nenne ich das Stichwort 'Deutschtümelei', und dann kommt noch die Sicht von außen. Da liefert der emeritierte Grazer Professor Stefan Karner die Sicht der damaligen Sowjetunion auf die FPÖ", zählt Brauneder weiter auf. Nicht fehlen darf das Kapitel Restitution – also die Arbeit der schwarz-blauen Koalition in der Ära Wolfgang Schüssel (ÖVP). "Wir wollen hierbei Berichte den Historikern zur Verfügung stellen, auch welchen aus Israel." Hier sei man noch auf der Suche nach Wissenschaftern. "Jedenfalls wurde bei der Restitution alles von der FPÖ mitgetragen, das muss man ganz offen und deutlich sagen."

Da fehlen aber noch die Burschenschaften. Diese waren mit einem Liederbuch mit antisemitischen Texten ja schließlich der Grund, wieso die FPÖ plötzlich öffentlich erklärte, mittels einer Historikerkommission die eigene Geschichte aufarbeiten zu wollen. Der damalige FP-Spitzenkandidat bei der Niederösterreichwahl, Udo Landbauer, musste sich – kurzzeitig – aus der Politik zurückziehen, hieß es doch in einer Liedzeile: "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: 'Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.'" Brauneder, selbst kein Burschenschafter, sagt dazu: "Es wird ja behauptet, es sei eher ein Spottvers gewesen. Aber für mich ist das kein Spott. Ich finde das gar nicht lustig."

Auch zu dem rechten Männerbund wurde geforscht: "Wir haben über den Burschenschaftsbereich einen Beitrag vom Historiker und Wissenschaftsjournalisten Martin Haidinger."

Liste der Einzelfälle

Und die vielen, vielen Einzelfälle, bei denen FPÖ-Funktionäre mit rechtsradikalem Gedankengut für Schlagzeilen sorgen? "Das ist auch anzusprechen. Da gibt es schon eine Auflistung, welche Fälle es gab und wie die Partei reagiert hat", sagt er und folgert: "Soweit ich das bisher gesehen hab, muss man das als Ausnahmefälle betrachten, es ist nicht typisch. Sobald das innerparteilich bekannt war, wurde reagiert." Aber Derartiges gebe es doch nur bei den Freiheitlichen: "Das Problem ist natürlich, dass vor allem die Burschenschaften automatisch der FPÖ zugerechnet werden – was diese zum Teil gar nicht wollen."

Ein Blick in die Partei zeige doch ein anderes Bild. "Das stimmt schon. Natürlich gibt es die Rekrutierung: die SPÖ vom BSA, von den Gewerkschaften, die ÖVP vom CV. Also das bietet sich natürlich an, obwohl ich ganz unverhohlen sage, es wäre klüger, zusätzlich die Blicke in andere Richtungen zu werfen." Es gebe sicher Leute, die dem Dritten Lager nahestehen, ohne Burschenschafter zu sein. Aber, sagt Brauneder, der früher selbst für die FPÖ als Dritter Nationalratspräsident im Parlament saß, "das ist offenbar ein organisatorisches Problem".

Keine Kontaktscheu

Inhaltlich lässt sich der Kommissionsleiter noch nicht sehr in die Karten sehen. Aber er räumt mit dem Ausgrenzungsmythos auf: "Das Wichtigste ist, dass es schon sehr bald nach 1945 seitens der SPÖ aber auch vor allem vonseiten der ÖVP keine Kontaktscheu gab, mit dem VdU Gespräche zu führen – und allenfalls auch eine Koalition einzugehen. Dazu ist es aber dann lange nicht gekommen." Man habe offenbar nichts daran gefunden, auch mit den "harmlosen" Nazis in Kontakt zu treten, wie dem ersten FPÖ-Chef Anton Reinthaller.

Dabei war Reinthaller Minister im Anschlusskabinett Seyß-Inquart und ein NSDAP-Reichstagabgeordneter. "Er wurde in all den Verfahren, die er hatte, als ein ,normales' NSDAP-Mitglied behandelt", sagt Brauneder: Die ÖVP habe "ihn damals offenbar so gesehen, punktuell auch die SPÖ: Die haben vielleicht nicht alles gewusst, andererseits haben sie ihn ja erlebt." (Peter Mayr, 11.12.2018)

P.S.: Sie wollen jeden Donnerstag ein E-Mail von der Innenpolitikredaktion mit aktuellen Updates und Hintergründen bekommen? Melden Sie sich hier kostenlos an: