Ein hyperventilierender Innenminister, der sich endlich nicht mehr um internationales Recht scheren müssen will, um ohne viel humanitären Federlesens auch Asylwerber abschieben zu können, die beim Schwarzfahren erwischt werden; ein Bundeskanzler, der anhand falscher Zahlen in der Bundeshauptstadt Arbeitsfreude vermisst, ohne selbst je intensiveren Kontakt zur realen Arbeitswelt nachgewiesen zu haben; ein Vizekanzler, der sich mit einem Angriff auf tschetschenische Großfamilien als Wackelkandidat für das Amt des Wiener Bürgermeisters – nur mit Jobgarantie – empfehlen will: Es ist gefährlich wahr, diese Regierung ist entschlossen, Österreich zu verändern.

Morgenstund' hat Gold im Mund, empfiehlt Ökonom Kurz den Bewohnern Wiens, um sie aus der "Abhängigkeit" zu befreien, in der sie mit dem Wiener Modell der Mindestsicherung gehalten werden. Mehr muss man als professioneller Erlöser nicht tun, will man damit kaschieren, dass das Regierungsmodell auch dort keinen stürmischen Beifall weckt, wo nicht spezielle Probleme der Großstadt vorliegen. Im Gegenteil, die Kritik einiger Bundesländer deckt sich in vielen Punkten mit der Wiens. Die schnöselhafte Arroganz, mit der sich ein Bundeskanzler da an den Wienern abreagiert, trägt jedenfalls nichts zu einer besseren Lage auf dem Arbeitsmarkt bei.

Der gesunde Hausverstand

Aber wirklich gefährlich wird es, wenn Mitglieder dieser Regierung im Zusammenhang mit Gewaltverbrechen gegen Frauen beginnen, auf Abhilfe unter Berufung auf den "gesunden Hausverstand" zu sinnen. Der gesunde Hausverstand ist die gemütlich klingende Variante jenes gesunden Volksempfindens, das gerade auch hierzulande schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit hervorgebracht hat, ohne dass irgendein Hausverstand dem Einhalt geboten hätte. Es überrascht nicht, dass der freiheitliche Verstandesriese im Innenministerium Morgenluft wittert, endlich "ein bisserl kreativ" sein zu dürfen, wenn es darum geht, den Hausverstand über den Rechtsstaat obsiegen zu lassen. Schließlich soll sich seine Kreativität nicht in der Anschaffung von Polizeipferden und in BVT-Razzien erschöpfen.

Dass ein österreichischer Bundeskanzler dabei mitmacht, verrät leider, dass sein Hausverstand, sollte er je einen solchen besessen haben, unter freiheitlicher Verstandesbetreuung gelitten haben muss. Die Caritas hat er gerade noch halbherzig gegen geifernde Blaue verteidigt; geht es aber um die Wahrung nationalen und internationalen Rechts, schlägt er sich auf ihre Seite. Es gibt keine Frau, der er mit einer solchen Anlassgesetzesabschiebung helfen würde, aber darum geht es auch gar nicht, sonst hätte man schon viele Frauenmorde früher angemessen reagieren müssen.

Mit dem jüngsten Mord gehe "die Saat des Jahres 2015 auf", verriet der Innenminister, wes Geistes Kind er ist. Jetzt ruft er eine "staatliche Notwehraktion" aus. Schon einmal war als Staatsnotwehr so manches Verbrechen rechtens. Die Wortwahl verrät immer wieder. Aber es gibt Hoffnung. Wollte er Asylwerber anfangs noch "konzentrieren", will er sie nun nur noch "örtlich binden". Das ist kreativ. (Günter Traxler, 17.1.2019)