Am 22. Februar 2019 wäre Manfred Deix 70 Jahre alt geworden.

Foto: Karikaturmuseum Krems, Günther Kargl

Das politische Personal um die Jahrtausendwende spielte für die Zwecke des Karikaturisten alle Stückeln.

Landessammlungen NÖ, Christoph Fuchs

"Basil, der Katzenkönig": Bis zu 80 Exemplare der geliebten Vierbeiner bevölkerten zeitweise Deix' Atelier.

Karikaturmuseum Krems, Alena Volk

In Krems zu sehen ist auch der selten gezeigte Zyklus "Die sieben Todsünden". Hier: "Völlerei".

Foto: Landessammlungen NÖ, Christoph Fuchs

Zeichnerkollege Thomas Wizany mit seiner Hommage an Manfred Deix.

Foto: Thomas Wizany

Anfänge – Manfred Deix wurde 1949 in St. Pölten geboren. Aufgewachsen im elterlichen Wirtshaus, konnte er die Abgründe der österreichischen Seele früh am lebenden Objekt studieren. Zeichnerisch begeisterte sich der junge Deix für Cowboycomics, aber auch schon damals für das ein oder andere Nackerpatzerl. Der anempfohlenen Karriere als Wirt oder Fliesenleger zog Manfred schließlich eine Inskription an der Wiener Graphischen vor – gemeinsam mit Busenfreund Gottfried Helnwein. Die ersten Karikaturen veröffentlichte Deix in der Niederösterreichischen Kirchenzeitung. Von der entfremdete er sich bald nicht nur weltanschaulich, auch mit den strikten Abgabe-Deadlines haperte es gewaltig. Zwar bekamen das spätere Arbeitgeber wie Profil, Trend, Spiegel oder News auch zu spüren – für einen "echten Deix" Woche für Woche nahmen die liberalen Magazine aber so manches auf sich.

Bruno Kreisky – Als Deix politisch zu zeichnen begann, strahlte noch der Sonnenkönig über Österreich. Deix war einer der Ersten, der die vermeintliche Unantastbarkeit der großen Nachkriegsstaatsmänner satirisch zum Teufel jagte. Kreisky anerkennend: "Deix macht die Leute so hässlich, dass viele sich mit ihrer Hässlichkeit versöhnen. Manchmal verschönert er seine Opfer. Dazu gehöre ich."

Deixfigur – In seinen austriakischen Mitmenschen erkannte Deix einen adipösen Wesenszug: Doppelkinn und Wampe müssen sein, schiefe Zähne und schiefes G'schau gerne auch – der Volksmund prägte dafür den schönen Begriff "Deixfigur". Im Duden-Wörterbuch heißt es darunter (wohl ein wenig zu zahm): "Ins Lächerliche verzerrte Darstellung eines Menschen".

Frühe Arbeiten sind noch durch einen schärfer akzentuierten Strich gekennzeichnet: "Heimat bist du großer Söhne" (1975)
Foto: Karikaturmuseum Krems, Christoph Fuchs

Geburtstag – Dieser Tage hätte Manfred Deix seinen 70. Geburtstag gefeiert. 2016 aber erlag der Kettenraucher 67-jährig einem Lungenleiden. Im Karikaturmuseum Krems hat die niederösterreichische Kulturpolitik dem Zeichner seit 2001 eine Dauerausstellung eingerichtet. Ein Jahr lang ist dort nun unter dem Titel A echta Deix – unvergessen! die erste umfassende Retrospektive nach Ableben des Karikaturisten zu sehen. Dazu erscheint mit Forever Deix – Der Jubelband (Ueberreuter) ein dickes Buch zum Gesamtwerk. Herausgegeben wurde es von Marietta Deix, der Witwe des Künstlers.

Hochzeit – Aus der Jugendliebe Marietta wurde eine Lebensbegleiterin. 1984 heiratete das Paar in Las Vegas – eine Zeremonie, die der konservative St. Pöltner Skandalbischof Kurt Krenn (ein Lieblingsopfer Deix') nicht ohne Weiteres akzeptieren wollte. Krenn soll den Deixens angeboten haben, sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion heimlich in seiner Kirche erneut zu trauen. Ein Angebot, das der konsequente Religionskritiker freilich ausschlug.

Jelinek – Dem satirischen Selbstverständnis Karl Kraus' und vergleichbarer Kapazunder folgend, sich stets zwischen alle Stühle zu setzen, verschonte Deix nichts und niemanden – in der Zeichnung genauso wenig wie im stets treffsicher formulierten Text. Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek: "Hilfe! Seit Manfred Deix tot ist, wissen wir nicht mehr, wie wir aussehen! Früher konnten wir seine Zeichnungen anschauen, und das hat uns den Blick in den Spiegel erspart." Jeder Mensch, so Deix, habe das Recht, karikiert zu werden. Man müsse sich das aber erst verdienen.

Katzen – Bis zu 80 Stück seiner Lieblingsvierbeiner hat Manfred Deix zeitweise in seinem St. Pöltner Zuhause um sich geschart. Zum Hinauszögern so mancher Abgabefrist soll Deix die Ausrede bemüht haben, ein Miezi, Murli oder Burli habe sich auf seine Zeichnung erleichtert.

"Rudi denkt an Elvis" (1992). Deix selbst verehrte hingegen zeitlebens die Beach Boys.
Karikaturmuseum Krems, Christoph Fuchs

Nestbeschmutzer – Im Unterschied zu Thomas Bernhard u. a. wurde Deix kaum als Nestbeschmutzer denunziert. Zu offensichtlich schien selbst dem strammsten Patrioten, dass hier jemand zeichnet, der seine Hassliebe zur Heimat durchaus mit Wertschätzung pflegt.

Political Correctness – In seinen letzten Interviews beklagte der längst über Grenzen hinweg geschätzte Zeichner ein neues Spießertum, das der Political Correctness zu viel unterordne. "Während man damals vor sich hinzeichnen konnte, was man wollte, muss man heute auf alles Mögliche achten. Zu sexistisch? Zu rassistisch? Zu religionsfeindlich? Humorlosigkeit ist angesagt", so Deix 2015 im Falter. Den Propheten Mohammed zu zeichnen ersparte sich Deix ("Ich bin ja nicht lebensmüde.") – was nicht heißt, dass die Kremser Ausstellung nicht auch zu diesem Thema entlarvende Blätter bereithielte.

Skandal – Von Neo- und Altnazis über Weinpanscher bis hin zu Sextouristen und Inzestväter hat Deix kein skandalträchtiges Thema ausgelassen, das Österreich erschüttert hat. Wer auch immer Veranlassung sieht, sich von der Geschichte der Zweiten Republik ein abschließendes Bild machen zu wollen, sollte das Deix'sche Werk zurate ziehen.

Zumpferl – In welch schierer Anzahl und Variation Deix das männliche Glied seiner Lächerlichkeit preisgegeben hat, werden mathematisch versierte Kunsthistoriker erst noch erheben müssen. Karikaturistenkollege Thomas Wizany fällt dazu in einer posthumen Hommage an den Meister Folgendes ein: Deix sitzt an der Himmelspforte mit der Aufschrift "Nur für Zeichengötter". Dort ermahnt ihn der Allmächtige: "Keine Katzen! Keine Tschick! Keine Zumpferl und keine Dutteln! Ab jetzt nur noch Heiligenbildchen!" Deix zerknirscht: "Womit hob i des bloß vadient." (Stefan Weiss, 5.2.2019)