Sophia Löffler (re.) gerät als geschlechtslos markierte Ich-Figur in eine revolutionäre Bewegung der Zukunft hinein, die zugleich Vergangenheit ist. Klingt kompliziert? Ist es.

Foto: Matthias Heschl

Ein Steckrübenfeld auf dem Mond? Oder gleich die Menschheit in den Orbit verfrachten, um der Klimakatastrophe zu entgehen? Nützt alles nichts, denn wie es Sean Keller in seinem Stück "Sommer" avisiert, wollen die Menschen wieder zurück. Eine Frau (die Erzählerin) kehrt im Jahr 3000 von einer Weltraumkolonie auf die Erde heim. Sie ist der Spur ihres Großvaters gefolgt, eines verschollenen Filmregisseurs, dessen bruchstückhaft erhaltene Filmszenen sie nicht mehr loslassen.

Leben in der Zeitschleife

Doch so romantisch ist der Blaue Planet leider nicht mehr beschaffen. Infolge der Ressourcenknappheit ist nur ein Bruchteil der Weltbevölkerung hier verblieben und lebt in einer Zeitschleife. Es sind die Jahre 2000 bis 2020, die immer wieder von Neuem ablaufen, mit dem Effekt, dass sich nichts entwickeln kann. Das alles muss man wissen, um der Uraufführungsinszenierung von Elsa-Sophie Jach im Wiener Schauspielhaus folgen zu können.

Außerirdische Zukunftsszenarien sind fürs Theater verlockend, weil Räume, Figuren und Erzählformen große Freiheiten eröffnen. Zudem ist der Blick in die Zukunft gerade bei jungen Dramatikern wie selbstverständlich in die Perspektive ihrer Texte eingeschrieben. Siehe etwa Thomas Köcks Stück "die zukunft reicht uns nicht. (klagt, kinder, klagt!)", das er gemeinsam mit Jach 2017 zu einer fabelhaften Erstaufführung am Schauspielhaus brachte.

Zukunftsvitrine

Jach, deren Regietalent auf der Hand liegt, hat diesmal aber zu kurz gegriffen. Sie beließ den Text mit rätselhaft querschießenden Zitaten auf einem verwirrenden Abstraktionsgrad. Wer spricht? Welche Zeit haben wir gerade? Anstatt also die Sätze zu erden, verpuffen sie vielfach in einem futuristischen Setting, das von einer Plastikwabenbar und einer von Esther Balfe betanzten Zukunftsvitrine begrenzt wird (Bühne: Stephan Weber).

Zumindest Aldi und Lidl gibt es in der Zeitschleife noch, darüber hinaus aber bleibt die Welt zwischen 2000 und 2020 recht entrückt. Uniformierte, meist rabiat gestimmte Menschen heißen die geschlechtslos markierte Ich-Figur (Sophia Löffler) harsch willkommen. Sie kriegt den Job des Müllmanns und wird in eine revolutionäre Bewegung hineingezogen, die aufgrund der Zeitschleifen ohne Konsequenz bleibt.

Zustand der Gesellschaft

Sean Keller scheint es um eine lahme Gesellschaft zu gehen, die auf der Stelle tritt. Um diese zu markieren, baut er einen allzu aufwendigen Kosmos, der schwer zu entziffern ist und vom Zustand der Gesellschaft und der sie beherrschenden Müdigkeit eher ablenkt. Schauwerte, die der Abend sehr wohl hat, ändern nichts daran, dass der gedankliche Überbau in der Luft – oder in der Stratosphäre – hängen bleibt. (Margarete Affenzeller, 11.2.2019)