Jens Harzer erhält mit dem Iffland-Ring eine der wichtigsten Auszeichnungen der Schauspielkunst.

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Der Iffland-Ring wird mit einem versiegelten Schreiben, das bei der Wiener Bundestheater-Holding aufbewahrt wird, weitergegeben. Bruno Ganz musste seinen Wunsch 2014 abändern, nachdem sein damaliger Kandidat Gert Voss vor Ganz verstorben war.

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Harzer bedankt sich 2017 in Frankfurt am Main bei der Verleihung des Hessischen Film- und Kinopreises in der Alten Oper für den Preis als bester Schauspieler.

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Der deutsche Schauspieler Jens Harzer (47), Ensemblemitglied am Thalia Theater Hamburg und wiederholt bei den Salzburger Festspielen zu sehen, ist der neue Träger des Iffland-Rings. So verfügt es das Testament des im Februar verstorbenen Bruno Ganz, der den diamantbesetzten Eisenring zuletzt besaß.

Dies gab Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) am Freitag in einer Aussendung bekannt. Er werde den Ring auf der Bühne im Burgtheater überreichen, die Zeremonie soll noch vor dem Sommer stattfinden. Ein genauer Termin steht noch aus.

Das alte Schmuckstück, dessen Geschichte über 200 Jahre lang belegt ist, gilt als die bedeutendste Auszeichnung für Schauspieler im deutschsprachigen Raum. Jens Harzer ist nicht nur seiner exzeptionellen Sprachkunst wegen ein überaus würdiger Nachfolger.

Jens Harzer als Achill in "Penthesilea" bei den Salzburger Festspielen 2018.
SalzburgerFestspiele

Harzer, 1972 in Wiesbaden geboren und an der Otto-Falckenberg-Schule in München ausgebildet, ist ein wahrhafter Schöpfer von Wortmusik, ohne dabei je auch nur im Anflug betulich zu werden. Auf diesem schmalen Grat entsteht seine Poesie. Seine Sätze schwingen. Mit allergrößter Ernsthaftigkeit geht dieser fiebrige Mime ans Werk. Ihn umweht die "Aura eines seltsamen Heiligen", schrieb die Süddeutsche Zeitung. Harzer ist ein introvertierter Theatermensch, der die Öffentlichkeit meidet. Seine Konzentration gehört der Bühne.

Spekulationslisten

Im vergangenen Sommer war Jens Harzer in der puristischen, ganz auf die Schauspielerkörper zugeschnittenen Penthesilea-Inszenierung von Johan Simons bei den Salzburger Festspielen als Achilles zu sehen. Und einige Jahre zuvor gab er ebenda in Dimiter Gotscheffs ingeniöser Handke-Inszenierung Immer noch Sturm die Hauptrolle. Dafür wurde er – ein zweites Mal nach 2008 – zum Schauspieler des Jahres gewählt. In Salzburg war Harzer immer wieder Gast, Anfang der Nullerjahre gab er vier Jahre lang den "Tod" im Jedermann.

Jens Harzer stand auf diversen Spekulationslisten der letzten Wochen – neben Namen wie Ulrich Matthes, Klaus Maria Brandauer, Martin Wuttke oder Joachim Meyerhoff. Auch Der Standard hatte im Februar Jens Harzer zum Favoritenkreis gezählt. Dass Bruno Ganz den jüngeren von ihnen als Erben des Rings in Betracht zog, liegt rückblickend klar auf der Hand. Sind Harzer und Ganz doch in ihrer ganz eigenen, profund gepflegten Suada künstlerisch innige Verwandte.

Dürfen auch Frauen?

In den letzten Wochen wurde darüber spekuliert, ob es nun der Regel widerspreche, die Trophäe auch Schauspielerinnen zu vererben. Oder ob die aus den 1950er-Jahren datierende Formulierung aufgrund von damals unbedarft ungegenderter Schreibweise bisher falsch interpretiert wurde.

Einer vom Ministerium bestätigten Aussage Bruno Ganz' zufolge wäre die Vergabe an Frauen durchaus möglich. Schon 1996, als Bruno Ganz den Ring erhielt und damit die mit ihm verbundene Pflicht zur Weitergabe übertragen bekam, hätte er eine Schauspielerin wählen können.

Zunächst hatte Ganz sich für den 2014 verstorbenen Gert Voss entschieden. Mit Jens Harzer wird die eingeschlagene Tradition nun fortgesetzt. Eine Tatsache, die all jene enttäuschen wird, die einen Bruch mit der bisher gültigen Regelung gefordert hatten, wie jüngst das Fachmagazin Theater heute, das mit Sophie Rois oder Constanze Becker bereits würdige Ringträgerinnen vorgeschlagen hatte.

Rechnung ohne Alma-Seidler-Ring

Allerdings wurde da die Rechnung ohne den Alma-Seidler-Ring gemacht. Dieser wurde 1978 auf Initiative von Burgtheaterdirektor Achim Benning von der österreichischen Bundesregierung als weibliches Pendant zum Iffland-Ring gestiftet. An Gewicht und Breitenwirksamkeit konnte dieser bisher mit dem Männer-Ring nicht die Waage halten. Ist aber der Iffland-Ring auch für Frauen zugänglich, dann entwertet das den Alma-Seidler-Ring. Seine Geschichte ist erst jung, und ihm fehlt der sagenumwobene Anfangsmythos, der den Iffland-Ring umweht.

Dieser geht zurück auf den Mannheimer Schauspieler August Wilhelm Iffland (1759–1814), einen Zeitgenossen Goethes, der sich selbstbewusst zur Ruhmesvermehrung Ringe mit dem eigenen Konterfei als Give-aways anfertigen ließ. Das Außergewöhnliche ist also sein selbstermächtigter Ursprung. Seine Funktion als Auszeichnung ist erst 1911 erstmals schriftlich belegt.

Kult um Schauspieler

Wie lebendig der Kult um Schauspieler war und bis heute geblieben ist, dafür ist der Iffland-Ring ein guter Beweis. Denn so sehr das postdramatische Theater eruptive Veränderungen nach sich gezogen hat und viele die Abkehr vom Starprinzip beteuern: Schauspielkapazunder werden nicht nur von Fans heiß geliebt. Die Spekulationen der letzten Wochen haben jedenfalls nicht nur die Köpfe in Abonnenten- und Fachkreisen erhitzt.

Dass es nach einem Österreicher (Josef Meinrad) und einem Schweizer (Ganz) nun ein Deutscher geworden ist, ist kein Automatismus, sondern entspringt allein Ganzens persönlicher Wahl. In diesem singulären Bestimmungsrecht liegt auch die Spannung und die Güte des Preises.

Diversity-Frage

Bei nächster Gelegenheit – es werden hoffentlich viele, viele Jahrzehnte ins Land ziehen – wird womöglich auch die Diversity-Frage gestellt werden. Das wird davon abhängen, wie sehr sich die Theaterinstitutionen bis dahin aus freien Stücken öffnen. Mit dem Vorschlag der aus Israel gebürtigen Schauspielerin Orit Nahmias (Gorki Theater Berlin) hatte Theater heute diesmal bereits einen Vorstoß gewagt. (Margarete Affenzeller, 22.3.2019)