Die Landwirtschaft steckt im Umbruch. Der Klimawandel lässt sich nicht länger leugnen. Wetterextreme, Ertragsschwankungen und Missernten nehmen zu. Viele Anbaugebiete müssen aus trockenen in niederschlagsreichere Regionen verlagert werden. Bauern sehen ihre Existenz bedroht und suchen Wege aus der Misere.

Die Zeit ist reif, Nabelschau zu betreiben und nüchtern über die Folgen der hochintensiven Landwirtschaft Bilanz zu ziehen. Fragen müssen erlaubt sein – etwa ob der weitere Ausbau von Monokulturen und der exzessive Einsatz von Spritz- wie Düngemitteln die richtige Antwort auf die Unbilden der Natur und Verwerfungen des Marktes sind.

Stattdessen erschallt quer durch Österreich der Ruf nach einer freizügigeren Handhabe von Pestiziden. Das lässt viele Beobachter, die auf Gift aller Art mittlerweile feinfühlig reagieren, eines mutmaßen: Die Erdäpfelindustrie hat nicht nur Drahtwürmer, sondern auch einen Vogel.

Cocktaileffekt unerforscht

Die Landwirtschaft ist reich an Spritzmitteln. Mehr als 1000 Pestizide sind hierzulande zugelassen, EU-weit kommen jährlich rund 200.000 Tonnen zum Einsatz. Über ihre Langzeitwirkung ist wenig bekannt, der Cocktaileffekt ihrer Wirkstoffe kaum erforscht. Immer wieder werden Präparate aufgrund starker Toxizität aus dem Verkehr gezogen – was Österreich nicht daran hindert, ihnen über eine Notfallzulassung erneut grünes Licht zu geben. Allein heuer machten Bauern von dieser Hintertür bis Februar 18 Mal Gebrauch. Von Jänner bis Februar holten sie drei Präparate zurück auf ihre Höfe – mit Wirkstoffen, deren Verwendung die EU zuvor explizit verboten hat.

Schädlingen mit mehr Insektiziden zu Leibe zu rücken mag ihnen eine kurze Atempause verschaffen – doch ein wirksames Rezept zur Rettung der Betriebe ist es nicht.

Strengere Kontrollen

Lieber aber werden Ängste gesät, dass ohne Pflanzenschutz Importe aus Ländern mit niedrigeren Standards den Handel fluten. Abgesehen davon, dass Österreich selbst unter Hochdruck exportiert: Was macht eine unter enormem Spritzmitteleinsatz erzeugte Marchfelder Zuckerrübe besser als eine deutsche? Auch Wüstenerdäpfel aus Ägypten, deren mieser Ruf bereits zu den Kunden durchdrang, rechtfertigen es nicht, die Giftdosis auf hiesigen Feldern zu erhöhen. Anstatt österreichische Standards zu verwässern, gehört strenger kontrolliert, was auf die Teller kommt.

Ihrer Verantwortung entziehen können sich auch Konsumenten nicht: Chemie rund um Lebensmittel zu verteufeln, zugleich aber auf pure Makellosigkeit zu Diskontpreisen zu bestehen, wird es nicht mehr spielen. (Verena Kainrath, 26.4.2019)