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Für Drittstaatsangehörige ist es nicht immer einfach, in Österreich zu studieren. Wird der Aufenthalt nicht bewilligt, versuchen manche über Touristenvisa im Land zu bleiben

Foto: Reuters

Eigentlich studiert Sesilia Tsimintia Kunst in Wien. Doch von Februar bis April war sie in ihrer Heimat Tiflis, Georgiens Hauptstadt. Nicht wegen verlängerter Semesterferien, sondern weil ihr Visum abgelaufen ist und sie nun drei Monate warten muss, bis sie wieder einreisen darf, da sie Drittstaatsangehörige ist. Denn um in Österreich studieren zu können, braucht Tsimintia eine Aufenthaltsbe willigung.

Zum Anfang: Weil in Georgien nichts Vergleichbares angeboten wird und Tsimintia in Wien Verwandte hat, bewirbt sie sich 2017 für den Bachelor Trans Arts an der Uni für angewandte Kunst. Sie wird zugelassen. Tsimintia zieht nach Wien und darf die ersten drei Monate mit einem Touristen visum bleiben.

Keine Bewilligung

In dieser Zeit sucht sie um eine Aufenthaltsbewilligung als Studentin an, mit der sie ein Jahr in Österreich studieren dürfte. Doch der Antrag wird nicht bewilligt. Obwohl sie alle Dokumente vorweisen kann, gibt es Probleme mit ihrem Einkommensnachweis, erzählt sie. Warum, versteht Tsimintia nicht. Also holt sie sich Unterstützung von einem Anwalt ihrer Studienvertretung, mit dem sie beim Verwaltungsgericht eine Beschwerde gegen den negativen Bescheid einlegt.

Anstatt mit ihren Studienkollegen ins nächste Semester zu starten, reist sie also im Februar nach Tiflis und verpasst die Projektpräsentationen – die Prüfungen der Kunststudierenden. Anfang Mai kann sie ihr Studium fortsetzen, mit einem weiteren Touristen visum für drei Monate. Sie hofft, dass das Gericht den negativen Bescheid aufheben wird.

Ob und wie schnell ein Aufenthalt bewilligt wird, hänge vor allem davon ab, ob man die erforderlichen Dokumente vollständig vorweisen könne, sagt Dominik Haider. Er arbeitet beim Magistrat für Einwanderung und Staatsbürgerschaft in Wien, der MA 35. Zu den Dokumenten zählen etwa ein Auszug aus dem Strafregister, der Nachweis eines ordentlichen Studiums beziehungsweise des Studienerfolgs, einer Krankenversicherung und eines regelmäßigen Einkommens. Häufig seien die Anträge lückenhaft, weshalb sich die Verfahren in die Länge zögen.

Hunderte Fälle jährlich

Peter Marhold ist juristischer Berater für ausländische Studierende bei der Österreichischen Hochschülerschaft. Rund 1000 Personen würden sich jährlich an ihn wenden, weil sie ähnliche Probleme wie Tsimintia haben. Er sieht nicht die fehlenden Dokumente als Problem, sondern das "notorische Überziehen" der verordneten Bearbeitungsdauer. Viele Studienanfänger würden auch die unzureichende Kommunikation des Magistrats beklagen. Etwa "weil die Behörde den Betroffenen nicht klar sagt, was mit dem Antrag nicht passt oder warum etwas nicht glaubwürdig wäre".

In der Zeit

Der Magistrat sieht den Fehler woanders: Man habe im Vorjahr etwa zwei Drittel aller Anträge von Drittstaatsangehörigen – insgesamt seien es 15.000 gewesen – positiv erledigt. Und zwar in weniger als drei Monaten, man liege also unter der gesetzlich vorgeschriebenen Bearbeitungsdauer.

Monate ist es nun her, seit Tsimintia ihre Beschwerde am Gericht eingereicht hat. Sie ist in einem Schwebezustand – "weder hier noch da". In Georgien sieht sie keinen Sinn, an ihren Projekten zu arbeiten: "Es gibt keine Fakultät, wo wir etwa moderne In stallationen umsetzen können." Es sei vergeudete Zeit. Die Unsicherheit und das ständige Hin und Her gehen ihr auf die Nerven, sagt sie. "Ich möchte wissen, wo das Problem liegt."

Ulvi Baghiri kann Tsimintias Lage gut nachvollziehen. Der 24-Jährige aus Aserbaidschan hat bereits einen Bachelor in International Business Administration an der Lauder Business School in Wien abgeschlossen.

Seine Geschichte: 2011 reist Baghiri das erste Mal mit einem Touristenvisum nach Österreich, das er innerhalb von drei Monaten gegen ein Studierendenvisum eintauscht. Wien wird sein Lebensmittelpunkt, fast acht Jahre lebt er hier. Jährlich wird seine Aufenthaltsbewilligung ohne Probleme verlängert – bis sich im Mai 2018 Schwierigkeiten auftun.

Gesundheitliches Problem

Nachdem er seinen Bachelor 2016 abgeschlossen hat, bekommt Baghiri gesundheitliche Probleme. Er hat einen Bandscheibenvorfall, kann weder studieren noch arbeiten. Doch er darf ohne Arbeit oder Studium nicht bleiben – er geht zurück nach Aserbaidschan. Ein Jahr später möchte er in Wien den Master Business Administration machen, beantragt das Visum und packt seine Koffer. Baghiri erwartet keine Hindernisse, kennt er doch den Ablauf der Bewilligung. Doch er irrt sich.

Um sein Visum zu verlängern, muss Baghiri den Studienerfolg des Vorjahres nachweisen. Das kann er nicht, da er krankheitsbedingt in seinem Heimatland lebt. "Es wurde einfach ignoriert, dass ich bereits seit fünf Jahren rechtmäßig als Student in Wien gelebt und meine Steuern gezahlt habe. Weil ich eine kurze Zeit zu Hause verbracht habe, wurde ich rausgeschmissen", sagt Baghiri.

Vor Gericht zu ziehen sei keine Option gewesen, er hätte die Kosten nicht tragen können. Also schreibt er einen Brief ans Gericht, erhält aber keine Rückmeldung. "Nach zwei Wochen habe ich meine Sachen gepackt, ich dachte: ‚Zur Hölle damit‘", sagt Baghiri. Als die schriftliche Ausweisung in seinem Briefkasten landet, hat er Österreich längst verlassen.

Mittlerweile, sagt Baghiri, gehe es ihm gut in Aserbaidschan. Er arbeitet in einem Finanz-Start-up. Doch die forsche Umgangsart und die Ignoranz der Behörde habe er nicht vergessen. Die Mitarbeiter hätten ihn wegen mangelnder Deutschkenntnisse schlecht behandelt, einmal gar rausgeworfen.

Schuld auf Bund geschoben

"Das alles passiert, seit die neue Regierung im Amt ist", sagt Baghiri. Die Wartezeiten für Versicherungen seien besonders lange und höhere Deutschkenntnisse nötig. Auch ÖH-Berater Marhold sieht das so: "Sowohl die Gesetzgebung als auch der Vollzug sind seither drastisch strenger geworden." So werde versucht, "die letzte liberale Zugangsmöglichkeit zu Aufenthaltstiteln zu schließen".

Die MA 35 weist diese Vorwürfe zurück. Als Behörde der Stadt sei man an das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz gebunden, das vom Bund beschlossen wird. (Roxane Seckauer, 15.5.2019)