Franz Schnabl plädiert für einen kurzen Wahlkampf – und ein Ende der Personalspekulationen.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Glaubt man aktuellen Umfragen, hat der Misstrauensantrag von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt vor allem Sebastian Kurz und der ÖVP genützt – jedenfalls nicht der SPÖ. War das ein Fehler?

Schnabl: Ich verstehe, dass momentan eine gewisse Aufgeregtheit besteht. Es besteht aber kein Grund dazu. Und nein, es war kein Fehler. Die ÖVP hat sich nicht bemüht, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen, sie ist nicht auf die Opposition zugegangen, hat nicht das Gespräch gesucht, sondern weiteren Machtzuwachs betrieben. Ich stehe zu der Entscheidung. Und um die SPÖ muss man sich keine Sorgen machen. Die Wahlbewegung wird Ende August, Anfang September beginnen. Wir werden uns gründlich vorbereiten. Alle weiteren Spekulationen sind müßig.

STANDARD: Es gibt also keine Obfraudebatte? Was war das dann in den vergangenen Tagen?

Schnabl: Die gibt es nicht, das wird von außen befeuert, auch von Journalisten. Es wäre klüger, sich um die Aufarbeitung des Ibiza-Videos zu bemühen. Da geht es nämlich nicht nur um Verfehlungen der FPÖ, sondern auch um Parteispenden für die ÖVP.

STANDARD: Trotzdem: Was ist in der SPÖ los?

Schnabl: Nichts. Wir bereiten uns auf den Wahlkampf vor, der wird nicht vor Ende August starten. Vier Wochen Wahlkampf sind genug. Wir werden einen ordentlichen Wahlkampf führen. Als Person ist Doktorin Rendi-Wagner die vollkommene Antithese zum Spitzenkandidaten der ÖVP, Kurz. Sie hat eine profunde Berufsausbildung, sie steht mit beiden Beinen im Leben und hat Erfahrung in genau jenen Bereichen, die den Österreichern auch in Zukunft sehr wichtig sein werden: Soziales und Gesundheit. Daher wird jeglicher Spin gegen sie nicht greifen.

STANDARD: Sie fanden die Performance der SPÖ seit Ibiza-Gate optimal? Die Europa-Wahl ist für die SPÖ kein Erfolg gewesen.

Schnabl: Mit der Analyse der EU-Wahl werden wir uns noch länger beschäftigen. Mir kommt vor, das Problem war auch, dass sich die Öffentlichkeit, auch die Medien, tagelang nur für zwei Dinge interessierten: Wer steckt hinter dem Video? Und was wird aus dem Misstrauensantrag?

STANDARD: Wieso ist Altkanzler Franz Vranitzky ausgerückt, um mit Rendi-Wagner zu sprechen?

Schnabl: Weil natürlich auch verdiente SPÖ-Politikerinnen und -Politiker Interesse haben, die SPÖ ganz vorne zu sehen, und ebenso ihre Ideen einbringen möchten. Bei uns ist jede Idee herzlich willkommen. Nicht wie in der ÖVP, in der einer entscheidet, und die anderen dürfen zähneknirschend Zustimmung klatschen.

STANDARD: Sie warben 2016 für Gerhard Zeiler, nicht für Christian Kern als SPÖ-Chef. Halten Sie ihn jetzt für einen guten Spitzenkandidaten?

Schnabl: Gerhard Zeiler ist ein Sozialdemokrat durch und durch. Ich halte ihn für eine wichtige Persönlichkeit, dessen Ideen wir ebenso nutzen sollten. Die SPÖ hat aber eine Spitzenkandidatin – und diese heißt Pamela Rendi-Wagner.

STANDARD: Können Sie einen Austausch von Köpfen an der SPÖ-Spitze ausschließen?

Schnabl: Absolut. Ich bin überzeugt, dass Rendi-Wagner als Spitzenkandidatin hervorragend sein wird, weil sie auf Menschen zugeht. Sie sucht immer das Verbindende und den Ausgleich – im Gegensatz zum ÖVP-Vorsitzenden.

STANDARD: Ist Rendi-Wagner Ende 2019 noch SPÖ-Vorsitzende?

Schnabl: Selbstverständlich. Und Bundeskanzlerin.

STANDARD: Damit sie das wird: Sollte die SPÖ überlegen, auch eine Koalition mit der FPÖ einzugehen?

Schnabl: Nein, das schließe ich aus. Dafür muss ich nicht einmal den Kriterienkatalog bemühen. Erstens wegen mangelnder Einsicht zum Ibiza-Video. Und wir vermissen von der FPÖ seit November 2018 das versprochene Ergebnis der FPÖ-Historikerkommission. Und ich möchte nicht, dass die SPÖ mit einer Partei koaliert, in der es ständig rechtsradikale Einzelfälle gibt.

STANDARD: Einige in der SPÖ wollen den ehemaligen Bundesgeschäftsführer Max Lercher als Wahlkampfmanager. Sie auch?

Schnabl: Wir haben uns einstimmig dazu bekannt, dass die Bundesparteivorsitzende ein Vorschlagsrecht hat. Das hat sie genützt. Daher gibt es zu dieser Personalie nichts zu sagen.

STANDARD: Zuletzt sind auch handwerkliche Fehler passiert: Zum Beispiel ein TV-Auftritt der SPÖ-Chefin vor dem dunklen Parlamentscontainer, hinter ihr lauter ernste Männer. Das fanden Sie auch gut?

Schnabl: Es stimmt, das war ein Fehler. Übrigens war ich dabei. Ab morgen passiert so etwas nicht mehr. Aber es zeigt wiederum: Die SPÖ ist zwar stets kampfbereit, aber wirklich vorbereitet auf eine Wahl im September sind wir nicht. Im Gegensatz zur ÖVP, die angeblich ja schon im Frühling Werbeflächen für den Herbst reserviert hat. Die Vermutung liegt nahe, dass Kurz die Gelegenheit des Ibiza-Videos genutzt hat, um einen Umfragenvorteil für sich und die ÖVP zu nutzen, und den Koalitionsbruch, wieder einmal, bewusst herbeigeführt hat.

STANDARD: Mit welchen Inhalten soll die SPÖ wahlkämpfen?

Schnabl: Die politische Grundaussage muss sein: Was Österreich groß gemacht hat, waren Dialogbereitschaft, Konsens, Sozialpartnerschaft. Das gilt heute noch, man muss es aber modern übersetzen und die soziale Komponente hinzufügen. Das teure Wohnen ist ein brennendes Thema – sowie Sicherheit: was Kriminalität und Integration betrifft, aber auch Gesundheit und Bildung. Da wären wir mit Grünen und Neos viel weiter, als wir es jemals mit der ÖVP waren. Und natürlich die ökologische Frage, die in Wahrheit eine soziale ist. (Petra Stuiber, 7.6.2019)

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