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Erneut wird um Pferdewohl diskutiert – und um Profit.

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Rechts ist Isis, sechs Jahre alt, erklärt der Mann mit der weißen Melone auf dem Kopf und deutet auf eines der beiden grauen Pferde, die er vor seinen Fiaker gespannt hat. Neben ihr ist ihre Schwester Theres, fünf Jahre alt. Die beiden ziehen den Kutscher Vladimir und seine Kundschaft an drei Tagen in der Woche durch Wien, den Rest der Woche haben sie Pause.

Außer nächsten Dienstag: Da werden Vladimir, Isis und Theres streiken. Bis zu 75 Fahrer und damit bis zu 150 Pferde sollen sich ab 7.00 Uhr früh auf dem Rathausplatz versammeln. Kein Fiaker soll an dem Tag in der Innenstadt unterwegs sein, kündigten die Veranstalter der Demonstration an.

Weniger Stellplätze auf dem Stephansplatz

Gründe für den Unmut der Kutscher gibt es mehrere: Seit dem Umbau des Stephansplatzes wurde die Anzahl der begehrten Stellplätze für Fiakerkutschen von 24 auf zwölf halbiert, auf dem Michaelerplatz drohen ebenfalls Stellplätze zu verschwinden, eine private Initiative aus Geschäftsleuten und Anwohnern fordert, dass der Fiakerstandort stillgelegt wird.

Und dann gebe es da noch die Gummihuf-Diskussion. Weil die Hufe der Fiakerpferde den Straßenbelag angreifen, sei das eine budgetäre Belastung, die der erste Bezirk nicht mehr stemmen könne, heißt es seit Monaten aus dem Büro des Bezirksvorstehers – eine dreiviertel Million Euro jährlich würden die Reparaturen der Straße kosten. Seitdem wird evaluiert und erhoben und spekuliert, ob Hufbeschläge aus Kunststoff ein sinnvoller und straßenschonender Ersatz sein könnten. Als "prinzipiell gut geeignet" befand sie der Bezirk, als unzufriedenstellend befinden sie die Fiaker-Aktivisten: Die Sehnen und Gelenke der Tiere würden durch den rutschfreien Gummibeschlag teils stark belastet, sagte die Tierärztin Isabella Copa bei der Ankündigung der Demonstration.

Zwist um Gummihufe

Ein paar Kutschen hinter Vladimirs Gespann bekommt ein Pferd gerade eine neue Garnitur Gummihufe. Seelenruhig steht es da, währen ihr abgewinkeltes Hinterbein von einem Mann zwischen die Knie gezwängt wird. Es rührt sich keinen Zentimeter, während er mit einer eisernen Zange die alten Beschläge herunterschlägt. Und nicht einmal, als die neuen Gummibeschläge mit Nägeln angeschlagen werden, bewegt es sich. Dennoch, nicht jedes Pferd ist geeignet für die Kunststoffbeschläge, erklärt der Kutscher Emanuel. Von der Gangart hänge das ab, außerdem seien sie teurer und weniger lang haltbar: "Nach sechs Wochen sind die abradiert", sagt er.

Auf dem Stephansplatz fordern die Fiaker-Aktivisten sechs zusätzliche Stellplätze.
Foto: APA/HANS PUNZ

Elf Kutschen stehen auf dem Stephansplatz an diesem frühsommerlichen Vormittag bereit, laufend steigen Familien mit Kindern und Touristen mit Selfie-Sticks ein, um eine Rundfahrt zu starten. Doch die Hochsaison, die komme erst, sagen die Kutscher. Oft seien dann bereits alle Stellplätze besetzt, wenn man die Arbeit beginnen will – und wer Geld verdienen will, der will auf dem Stephansplatz stehen. Viele Kutscher fahren deshalb im Kreis, bis wieder ein Platz frei ist. "Und dann kommen wieder die Tierschützer und sagen, wir quälen die Tiere", sagt der Fiakerfahrer Emanuel.

Kritik an der Kritik

Die Tierschützer, genauer der Verein gegen Tierfabriken (VGT), beschweren sich auch über den geplanten Streik am Dienstag. In einer Aktion will man darum ab Dienstagvormittag darstellen, "wie es aussehen würde, wenn die Pferde streiken", sagt Georg Prinz vom VGT. Darum werden acht Aktivisten in Pferdemasken und Warnwesten auf dem Stephansplatz einen Streik der Tiere simulieren. "13-Stunden-Tage, Arbeit bis zu de facto 38 Grad, kein Sonnenschutz auf Standplätzen, kein Anspruch auf Freizeit auf Weiden – kein Arbeitnehmer würde sich solche Bedingungen gefallen lassen", heißt es vom VGT.

Magistrat ist gesprächsbereit

Ob es aber tatsächlich zum Streik der Fiakerfahrer am Dienstag kommt, ist noch offen. Auch wenn die Demo bereits bei der Polizei angemeldet ist, halten sich die Veranstalter eine Absage offen, falls man ihnen vonseiten der Stadt in ihren Forderungen entgegenkommt.

Das Büro der Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou verweist dazu auf das Magistrat für rechtliche Verkehrsangelegenheiten, die MA 65, dieses sei für Gespräche offen, wie der stellvertretende Dienststellenleiter David Vladar sagt. Vom Büro des Bezirksvorstehers der Inneren Stadt, Markus Filg (ÖVP), liegt eine Stellungnahme vor: Die Umgestaltung des Fiakerstellplatzes auf dem Stephansdom sei notwendig gewesen, um die Fußgängerströme zu bewältigen, heißt es darin, die Verhandlungen dazu seien abgeschlossen und die Fiaker-Unternehmen in diese eingebunden gewesen. Was die Gummihufe angehe, wolle man "alle weiteren Ergebnisse ausführlich bewerten und bei Abschluss veröffentlichen".

Egal, ob hier auf dem Stephansplatz schon die erlaubten zwölf Gespanne stehen oder nicht, Fiakerfahrer Emanuel stellt sich trotzdem hin, sagt er, während er wieder in seine Kutsche klettert. Auch wenn er dafür schon einmal eine Anzeige kassierte. Zur Demo am Dienstag würde er trotzdem gehen, wenn er an dem Tag arbeitet – das komme auf den Chef drauf an. Und darauf, ob sie tatsächlich stattfindet. (Gabriele Scherndl, 7.6.2019)