In der Europäischen Union ist ärztlich kontrollierte Freitodbegleitung derzeit in den Niederlanden, in Belgien und Luxemburg erlaubt.

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Vier Österreicher haben dieser Tage einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gestellt. Ihr Anliegen: Das Verbot der Sterbehilfe soll gekippt werden. Die Antragsteller berufen sich dabei auf die Europäische Menschenrechtskonvention und die Grundrechtecharta, die beide im Verfassungsrang stehen und das Recht auf Selbstbestimmung jedes Menschen über sein Schicksal zum Inhalt haben. Derzeit ist in Österreich die Beihilfe zur Selbsttötung mit bis zu fünf Jahren Haft strafbar.

Drei der Antragsteller sind schwerkranke Menschen, die gern in die Schweiz fahren und dort Freitodbegleitung in Anspruch nehmen, ihre begleitenden Angehörigen aber nicht der Strafverfolgung aussetzen wollen. Der Vierte ist ein Arzt, der immer wieder von Patienten um Sterbehilfe gebeten wird, aber diesen nicht helfen darf. Da ist er nicht der Einzige. Jeder, der in einem Spital arbeitet, hat von leidenden Menschen schon die flehentliche Bitte gehört: Lasst mich doch endlich sterben! Die Möglichkeit der Patientenverfügung und die Palliativmedizin lindern das Dilemma, aber sie lösen es nicht.

In dem Antrag an den VfGH wird auch darauf verwiesen, dass todkranke Menschen nicht so leicht eine Reise ins Ausland organisieren und bewerkstelligen können und dass beispielsweise in der Schweiz eine solche Todesreise rund 10.000 Euro kostet. Nicht jeder kann sich das leisten. Heißt das, dass sterbewillige Menschen demzufolge zum "Leben und Leiden" verurteilt sind?

Ärztlich kontrollierte Freitodbegleitung

Sterbehilfe ist ein heikles Thema. Die Politiker schrecken davor zurück, obwohl laut Umfragen 62 Prozent der Öster reicher dafür sind, diese unter gewissen Umständen zu ermöglichen. In Europa ist ärztlich kontrollierte Freitodbegleitung derzeit in der Schweiz, in den Niederlanden, in Belgien und Luxemburg erlaubt. Ihre Befürworter machen geltend, dass diese Möglichkeit dort, wo sie besteht, die Zahl der Selbstmorde entscheidend senkt. In den Niederlanden, wo Tötung auf Verlangen möglich ist, verzeichnet man jährlich acht Selbstmorde auf hunderttausend Einwohner, in Österreich fünfzehn. Dreimal so viele Menschen sterben bei uns durch Selbstmord wie durch Verkehrsunfälle, nämlich rund 12.000 im Jahr. Die gescheiterten Selbstmorde – nach Expertenschätzungen zehn bis dreißig auf einen "geglückten" – nicht mitgerechnet. Was für menschliche Tragödien hinter diesen Zahlen stehen, kann man sich vorstellen.

Je älter die Menschen werden, je mehr Pflegefälle es gibt, desto dringender wird die Frage nach der Sterbehilfe. Eine parlamentarische Enquete 2001 hat viel Verständnis dafür ergeben, aber kein praktisches Resultat. Wer soll entscheiden, ob jemand seinem Leben selbstbestimmt ein Ende setzen darf? Das Parlament? Die Ärztekammer? Die Bischofskonferenz? Oder doch der mündige Bürger selbst?

Der VfGH hat den entsprechenden Antrag an die Regierung weitergeleitet, mit der Aufforderung, sich innerhalb einer Frist von acht Wochen dazu zu äußern. Mit einer baldigen Entscheidung ist kaum zu rechnen, aber das Thema wird nicht so bald von der Tagesordnung verschwinden. Es ist an der Zeit, die Frage, die zehntausende Menschen und deren Familien betrifft, in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Man sollte sie nicht allein Juristen und Theologen überlassen. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 26.6.2019)