Seit die Tiroler Landesregierung vor zwei Wochen temporäre Fahrverbote für den Pkw-Transit erlassen hat, sieht das benachbarte Bayern seine freie Welt in Gefahr. CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder fühlt sich "diskriminiert", weil er als Durchreisender künftig nicht mehr jede Tiroler Nebenstraße mit seinem Wohnwagengespann verstopfen darf, um Staus auszuweichen. Der bayerische Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) fühlt sich gar genötigt. Dass Tirol die Leute zwinge, auf der Autobahn zu bleiben, sei mit seinem Verständnis von europäischen Grundrechten und Freiheit nicht vereinbar.

Die verkehrsgeplagte Bevölkerung im Wipptal und im Außerfern wünscht sich auch mehr Freiheiten – etwa um samstags noch schnell Erledigungen tätigen oder um sonntags bei der Tante im Nachbarort auf einen Kaffee vorbeischauen zu können. Doch die nehmen ihnen regelmäßig jene Automobilisten, die sich auf ihrem Weg in den Urlaub durch die Dörfer zwängen, um Maut oder Zeit zu sparen. Der Verkehrskollaps wurde zum Normalzustand.

Fast 2,5 Millionen Lkws donnerten im Vorjahr über den Brenner. Im Sommer kommen monatlich eine Million Pkws dazu.
Foto: APA/JAKOB GRUBER

Wenn es selbst für Einsatzkräfte kein Durchkommen mehr gibt, stellt sich die Frage, wie weit die freie Fahrt für freie Bürger gehen darf. Die Tiroler Antwort darauf sind die jüngsten Fahrverbote. Sie sind Teil eines ganzen Katalogs an Verkehrsbeschränkungen, mit denen sich das Land verzweifelt gegen den Transit zu wehren versucht, der die Bevölkerung im wahrsten Sinne überrollt.

Fast 2,5 Millionen Lkws donnerten im Vorjahr über den Brenner. "Mehr als auf den sechs Alpenpässen der Schweiz und Frankreichs zusammen", verdeutlicht Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) das Problem. Im Sommer kommen monatlich eine Million Pkws dazu. Die Landesregierung kann noch so viele Maßnahmen beschließen, eine echte Lösung des Transitproblems wird nur auf europäischer Ebene zu finden sein.

Doch genau dort legen sich jene quer, die wegen der Fahrverbote hyperventilieren und mit Klage drohen. Bayern verweigert Tirol seit Jahren die Unterstützung bei der Korridormaut, mit der die Brennerroute teurer und für den Schwerverkehr unattraktiver würde. Auch bei der Verlagerung des Lkw-Transits auf die Schiene ist Bayern säumig und hat noch nicht einmal mit dem Bau der für den Brenner-Basistunnel nötigen Infrastruktur begonnen. Dafür hat die freiheitsliebende CSU 2015 wieder Grenzkontrollen im Herzen Europas eingeführt. Oh, du verkehrte bayerische Welt. (Steffen Arora, 5.7.2019)