Sitzen, stehen, springen, spielen – auf den rund 190 Wohnstraßen in Wien ist das alles erlaubt.

Foto: Renée Del Missier

Das Kollektiv Space and Place luden vergangenen Freitag auf die Wohnstraße am Hernalser Diepoldplatz.

Foto: Renée Del Missier

Auf der Straße im Liegestuhl sitzen und die Füße im Planschbecken kühlen? Schach spielen, picknicken, Kleider tauschen? Oder doch beim Hindernisparcours mitmachen? Auf einer sogenannten Wohnstraße ist das alles möglich. Das Kollektiv Space and Place zeigt bei seinen Wohnstraßenleben-Projekten vor, was man dort alles darf.

Mit Aktionen wie jener auf dem Hernalser Diepoldplatz am vergangenen Freitag wollen sie Bewusstsein schaffen und zum Nachmachen inspirieren. "Jeder kann das immer machen, was wir hier tun", sagt Initiatorin Brigitte Vettori. Seit 2018 setzt sich die Kultur- und Sozialanthropologin mit ihrem Kollektiv dafür ein, dass Wiens Wohnstraßen bekannter, belebt und in den Alltag ihrer Bewohner integriert werden.

Unwissen über Regeln und Rechte

Rund 190 Wohnstraßen gibt es quer verteilt über die ganze Stadt in Wien. Insgesamt bieten sie eine Fläche von 57 Fußballfeldern. Um diesen Raum nutzen zu dürfen, muss man keine Genehmigungen beantragen. Die einzige Voraussetzung: gegenseitige Rücksichtnahme. Eine Fahrspur muss im Bedarfsfall schnell freigemacht werden. Autos dürfen in Wohnstraßen nur im Schritttempo bewegt werden: zum Zu- oder Abfahren. Durchfahrt ist verboten – was kaum einem Autofahrer bewusst ist.

Unwissen über Rechte und Regeln auf der Wohnstraße eint Autofahrer, Anrainer und Besucher. "Mir war früher selbst nicht bewusst, dass man sich den Platz auf der Wohnstraße einfach nehmen kann", sagt auch Unterstützerin Ines Schönauer. Gemeinsam mit Ursula Kermer hat sie das "Projekt: Garderobe" gegründet, bei dem bis zu sieben Kleidungsstücke kostenlos getauscht werden können. Vom Wohnstraßenleben sind beide begeistert: "In Wien gibt es wenige nichtkommerzielle Angebote, die Menschen aus unterschiedlichsten Lebenswelten zusammenbringen."

Auf dem Diepoldplatz lud Chess Unlimited zum gemeinsamen Schachspiel, das Kollektiv Raumstation lieferte gemütliche Ohrensessel per Lastenrad.

Austausch im Grätzel

Die Initiatoren wünschen sich mehr Unterstützung von der Stadt, fordern Sitzgelegenheiten und deutlichere Markierungen für Wohnstraßen. Ihr erklärtes Ziel: Mut zur Eigeninitiative fördern. "Wir möchten dazu anregen, dass Menschen auf der Wohnstraße mit ihren Nachbarn in Kontakt kommen. Es geht uns auch um die Verständigung und den Austausch im Grätzel", sagt Vettori. "So können wir kleine Wohlfühloasen im öffentlichen Raum schaffen." (Alexander Polt, 30.7.2019)