Die übliche Handbewegung im Wahlkampf: mit dem Finger auf andere zeigen. Tirols SPÖ-Chef Dornauer weist auf die ÖVP hin, diese auf ihn.

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In der ÖVP will man künftig ohne Tal Silberstein auskommen. Zumindest soll sein Name nicht mehr genannt werden. Auch wenn das schwerfällt. Tal Silberstein, der ehemalige Berater der SPÖ und Initiator des übelsten Untergriffes gegen Sebastian Kurz im Wahlkampf 2017, gilt der ÖVP als verlässliches Sinnbild für das Böse, das in der SPÖ schlummert. Dennoch haben sich die Türkisen jetzt eine Silberstein-Abstinenz auferlegt und wollen diesen nur noch indirekt ins Spiel bringen.

Dafür gibt es jetzt ja Georg Dornauer, den neuen Gottseibeiuns der Volkspartei. Wenn es um Schmutz im Wahlkampf geht, wird Dornauer in einem Atemzug mit allen Obskuranten und Nazis genannt, die im Internet ihren Schund über Kurz verbreiten.

Dornauer hatte vor dem Wochenende – offenbar ohne viel nachzudenken – eine ihm anonym zugespielte Mail veröffentlicht, die auf Korruption innerhalb der Tiroler Volkspartei schließen ließ: Spenden gegen Gefälligkeiten aus der Politik. Für Dornauer der "nächste Spendenskandal in der Volkspartei", aber immerhin mit Fragezeichen versehen. Auch andere Parteien hatten diese Mail erhalten, sie allerdings für eine Fälschung gehalten und an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet. Nur Dornauer wählte den Weg eines griffigen Twittereintrages.

Opfermythos

In der Folge prasselten über Dornauer im Stundentakt Rücktrittsaufforderungen aus der Volkspartei ein. Er selbst stellte am Montag fest: "Es gibt keine Konsequenzen." Er werde also nicht zurücktreten, ist sich keines Unrechts bewusst, will aber nichts mehr dazu sagen. Die angekündigten Klagen aus der Volkspartei kenne er noch nicht.

Die ÖVP hat erst einmal angekündigt, jegliche Zusammenarbeit mit Dornauer auf Eis zu legen. In der SPÖ ist es auffallend still. Dass Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, die sich darum bemüht, einen sauberen Wahlkampf zu führen, mit Dornauer nicht ganz glücklich ist, liegt auf der Hand.

Innerhalb der ÖVP wehrt man sich wiederum gegen Vorwürfe, man würde die Angriffe gegen Kurz aufblasen, um hier einen Opfermythos zu inszenieren. Mit der Veröffentlichung diverser Schmuddel-Homepages wollte man lediglich zeigen, dass die Angriffe gegen Kurz nicht nur von links, sondern zunehmend auch aus der rechten und der rechtsextremen Ecke kommen.

Erinnerungen an Haider

Dornauers E-Mail-Attacke ist für die ÖVP jedenfalls ein willkommener realer Hinweis dafür, dass die SPÖ schon wieder Dirty Campaigning betreibe und die ÖVP, in persona Sebastian Kurz, Opfer einer üblen Kampagne sei.

Dem Psychoanalytiker Klaus Ottomeyer, der sich jahrelang wissenschaftlich dem "Mythos Haider" gewidmet hat, kommt einiges bekannt vor. "Das Ganze weckt natürlich Erinnerungen an Jörg Haider, so wie er sich seinerzeit, durchaus erfolgreich, als Verfolgter inszeniert hat, wenn er Mist gebaut hat. Als er als Landeshauptmann wegen seines Sagers der ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich abgewählt wurde, suggerierte er, er sei dafür, dass er für die Bevölkerung eintrete, aus dem Amt gejagt worden. Er vermittelte: Alle sind so ungerecht zu mir, weil ich Kärnten gedient habe", sagt Ottomeyer im Gespräch mit dem STANDARD.

"Armer Bua"

Politikertypen wie Kurz oder Haider könnten in ihrer Darstellung sehr rasch switchen. Sie bedienten sich dabei "der klassischen Täter-Opfer-Umkehr". "Einerseits der große Macher und dann der arme Bua, der jammert, dass alle so bös zu ihm sind."

Natürlich gehe es aktuell bei Sebastian Kurz und der ÖVP auch um "eine Ablenkung von der Schredder-Affäre".

Der Politologe Peter Filzmaier ergänzte in einem APA-Gespräch, es gehe bei der Inszenierung von Kurz als einem "zu Unrecht Angegriffenen" vor allem darum, "die eigenen Anhänger mobilisieren".

Die Differenzierung von "gerechtfertigten Vorwürfen" wie der "Schredder-Affäre" und den "Angriffen eines Spinners" sei schwieriger geworden. Dies sei "demokratiepolitisch heikel", sagt der Politikwissenschafter. (Steffen Arora, Walter Müller, Michael Völker, 30.7.2019)