Immer ein Gewinn, wenn sie in Salzburg bei den Festspielen auftaucht, wo ihre Karriere einst mit Mozarts "Don Giovanni" begann: Anna Netrebko konzertant als Adriana Lecouvreur.

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Das Blättern in Anna Netrebkos Kalender offenbart interessante Sommeraktivitäten: Die maßgebliche Sopranistin unserer Tage war Ende Juni mit ihrem Gemahl, Tenor Yusif Eyvazov, in der Arena di Verona bei Giuseppe Verdis Il Trovatore zu erleben. Und Mitte August reist sie nach Bayreuth, um als Elsa in zwei Lohengrin-Vorstellungen den Grünen Hügel zu beehren. Es ist also nicht gerade so, dass sie das Szenische meidet – nur bei den Salzburger Festspielen ist es schon einige Jahre her, dass sie Teil einer Inszenierung war.

Das ist zu bedauern. Besonders eine Oper wie Francesco Cileas Adriana Lecouvreur mit ihren tragischen Gesten bietet Darstellungsintensität und Konfliktdarstellung reichlich imposantes Material. Netrebko zeigt natürlich im Großen Festspielhaus schon beim ersten Arienmoment, dass sie immer auch darstellerisch präsent ist, wobei diese konzertante Version ohnedies in Ansätzen leicht theatralisiert wurde.

Da ist zunächst viel Pathos in der Gestik, wenn eine exzellente Vokalistin eine Diva spielt. Frau Lecouvreur war in ihrer Epoche tatsächlich eine der bedeutendsten Schauspielerinnen Frankreichs, deren plötzlicher Tod Spekulationen nach sich zog. Es gab die Vermutung, sie sei von einer adeligen Rivalin vergiftet worden.

Überragende Kunst

Netrebkos Stimme, die in jeder Lage ungefährdet satten Klang vermittelt und in der Höhe ihre samtige Kompetenz entfaltet, tröstet natürlich über die Absenz des Szenischen hinweg. Ob sie in luftiger Höhe ins Pianissimo wechselt oder dramatische Intensität erzeugt: Ihre dunkle Stimme entfaltet ohne Schwankungen jegliche Farbqualität.

Angesichts solch überragender Kunst gilt es für die Kollegen zumindest einigermaßen mitzuhalten und nicht zu stören. Dirigent Marco Armiliato gelingt dies nur bedingt. Zusammen mit dem Mozarteumorchester bietet er zwar immer wieder Pointiertes und Feines. Zu oft jedoch treibt der Dirigent die Sänger lautstärkemäßig vor sich her und zwingt sie zu forcieren. Da wird sogar Netrebkos Gatte Eyvazov (als Maurizio) übertönt, auch wenn er über Volumen und Sicherheit verfügt.

Nur Anita Rachvelishvili als gnadlose Rivalin Lecouvreurs hat keinerlei dynamische Probleme. Mit ungeheurer Wucht schmettert sie wütende Töne und liefert sich mit Netrebko ein spannendes Duell. Dass ihre Intensität dann auch etwas Derbes aufweist, bleibt allerdings Tatsache, wie die solide Qualität des restlichen Ensembles. Im Würgegriff der Konkurrentin und des Orchesters musste Netrebko also mitunter an ihre Grenzen gehen, um hörbar zu bleiben. Insofern nicht unbedingt festspielwürdige Bedingungen für die Sopranistin, die dreimal Kleider wechselte. (Ljubisa Tosic, 30.7.2019)