Immer wieder wird über "schwarze Netzwerke" im Innenministerium spekuliert.

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Jahrzehntelang stellte die ÖVP Innenministerinnen und Innenminister, etwa Johanna Mikl-Leitner (links) oder Wolfgang Sobotka (rechts). Das soll nach einem blauen Intermezzo weiter so sein.

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Es war für Beobachter eine der größeren Überraschungen der letzten Koalitionsverhandlungen: Die ÖVP gab tatsächlich das Innenministerium auf, das sie zuvor 17 Jahre lang kontrolliert hatte. Mit Herbert Kickl wurde ausgerechnet der "große Stratege" der FPÖ in die Herrengasse gesetzt.

Gegen Ende der Koalition wurde er zum entscheidenden Streitpunkt. Weil Kickl das Innenministerium nicht aufgab, kündigte Sebastian Kurz nach dem Ibiza-Video die Koalition auf. Nun will die ÖVP das kurze blaue Intermezzo im Innenministerium als eine Art Betriebsunfall abtun und dafür sorgen, dass dort wieder Schwarz-Türkis das Sagen hat.

Mit der Ansage, das Innenministerium zur Koalitionsbedingung zu machen, dürfte sich die politische Konkurrenz in ihrer Theorie von ausgiebigem ÖVP-Klüngel bestätigt sehen. Denn die warnt unisono vor "schwarzen Netzwerken" im Innen- und Justizressort, die eine wichtige Funktion für die Volkspartei haben sollen.

Hinweise auf schwarze Netzwerke

Tatsächlich lieferte der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur BVT-Affäre vor allem kurz vor seinem Ende Hinweise auf ÖVP-Netze. Die sollen in jahrzehntelanger Detailarbeit entstanden sein. Ernst Strasser, der erste schwarze Innenminister dieses Jahrtausends, begann ab dem Jahr 2000 in der ersten schwarz-blauen Koalition, die Polizei parteipolitisch ein- und umzufärben. Das sogenannte System Rot-Weiß-Rot kümmerte sich darum, dass parteipolitisch genehme Polizisten und Beamte in Führungspositionen gehievt wurden.

Das alles geschah unter kräftiger Mithilfe von Strassers Kabinettsmitarbeiter Michael Kloibmüller, der nach Umwegen zum Kabinettschef im Innenministerium wurde und dort bis zur Ära Kickl blieb – auch wenn in einem U-Ausschuss 2008 seine E-Mails wie "Kandidat ist nicht unserer!!!!" zu geplanten Postenbesetzungen Thema waren. Neben diesen offensichtlichen Interventionen soll die ÖVP mit zwei FH-Studiengängen in Wiener Neustadt eine weitere Möglichkeit geschaffen haben, um genehme Kandidaten zu befördern. Die Aussiebung soll durch die Entscheidung, wer wichtige Qualifikationen erhält, funktioniert haben.

Interventionen und Infoweitergabe

Auf diese geduldig aufgebauten "schwarzen Netzwerke" soll dann regelmäßig für parteipolitische Zwecke zugegriffen worden sein. So zeigte der U-Ausschuss, wie rasch sich der einstige Innenminister Günther Platter um die Anliegen der Firma Kleiderbauer kümmerte, als diese Ermittlungen gegen Tierschützer forderte. Es folgten die skandalösen Ermittlungen gegen Tierschützer, der Prozess endete nach Jahren mit einem Freispruch.

Im Bundesamt für Verfassungsschutz bot der einstige Referatsleiter Nachrichtendienste etwa "Informationen abseits des Dienstweges" an einen "Bundesbruder" an – so bezeichnen einander Mitglieder des Cartellverbands.

Der Ex-Nachrichtendienstchef ist mit dem einstigen ÖVP-Abgeordneten Werner Amon und Kloibmüller befreundet, er traf außerdem mehrfach den Kurz-Vertrauten Axel Melchior, jetzt Geschäftsführer der ÖVP. Eine erklärende Überzeugung, warum sich die beiden trafen, konnten sie vor dem U-Ausschuss nicht liefern. Angeblich ging es bei den "Filmen", über die der BVT-Mitarbeiter den ÖVP-Geschäftsführer morgens per SMS informierte, um Tipps für Spionage-Blockbuster.

Der Ex-BVT-Referatsleiter engagierte sich auch gemeinsam mit zwei anderen hochrangigen BVT-Mitarbeitern in dem Verein Pro Patria, der die ÖVP in Wahlkampfzeiten unterstützte. Auch der Ex-Kanzleramtsminister Gernot Blümel war in diesem Verein aktiv, angeblich ein "Irrtum", wie Blümel sagte. Der Verein wird nun von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geprüft.

Dort liegt auch die Causa Wiener Stadterweiterungsfonds, die nun zu Anklagen gegen zwei aktive und einen ehemaligen Sektionschef geführt hat. Der zum Innenministerium ressortierende Fonds verkaufte bis 2008 seine letzten Immobilien, dann wurde Geld an kirchliche und kirchennahe sowie karitative Organisationen ausgeschüttet. Das erfüllt für die WKStA den Tatbestand der Untreue – es gilt die Unschuldsvermutung.

Dass es so lange dauerte, bis diese ein paar Jahre alte Causa zu Anklagen führten, führt beispielsweise Kickl darauf zurück, dass sich das "schwarze Netz" bis in die Justiz ziehe. Auch Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper beklagte kürzlich, dass es bei "politnahen Verfahren immer wieder zu Verzögerung oder Einstellungen" käme. Das Justizministerium wird seit zehn Jahren ebenfalls von der ÖVP geleitet, die meist parteifreie Persönlichkeiten als Minister nominiert. Als Feindbild hat sich für die Opposition in den vergangenen Monaten der einstige Generalsekretär Christian Pilnacek herauskristallisiert, der seit 2010 als Leiter der Sektion Strafrecht fungiert. (Fabian Schmid, 31.7.2019)