Christian Deutsch gilt in der SPÖ als akribischer Macher – und als einer, der sich nicht zu schade für unangenehme Aufgaben ist.

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Bei seinem ersten Kontakt mit der Politik legte er sich gleich mit einem Mächtigen an. Als 16-Jähriger engagierte sich Christian Deutsch bei der Anti-Zwentendorf-Bewegung – auf der anderen Seite steht der rote politische Übervater und damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky, der für die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks eintrat. Die Volksabstimmung ging gegen Zwentendorf aus, und Deutsch dockte trotzdem bei der SPÖ an.

Optimismus mit Kreisky

41 Jahre später organisiert er den Wahlkampf für Pamela Rendi-Wagner. Kreiskys Errungenschaften stehen im Zentrum der Kampagne. Derzeit versucht Deutsch, Optimismus zu verbreiten. Laut ihm steht die SPÖ vor einem Hoch, die Umfragewerte steigen. Allein darauf konzentriert sich der 57-Jährige, die Sinnkrise als Oppositionspartei, die vergeigte Performance rund um Ibiza oder gar die Zwischenrufe von roten Alphas: "Das ist Vergangenheit", erklärt Deutsch. Er will sich auf die Stärken seiner Spitzenkandidatin konzentrieren. Gemeinsam absolvieren sie die zweite Bundesländertour, dort soll die gebeutelte Parteichefin vor allem persönliche Gespräche führen. Das kommt gut an.

Deutschs Bestellung in die Löwelstraße wurde als Zugeständnis an den Wiener Roten verstanden, immerhin kommt er aus der Liesinger Partie. Er gilt als enger Vertrauter von Ex-Bundeskanzler Werner Faymann und von Nationalratspräsidentin Doris Bures. Vor allem bringt er Erfahrung mit. Zahlreiche Wahlkämpfe hat er schon organisiert: von der Wien-Wahl bis zur Wehrpflicht-Volksbefragung. Er soll Ruhe und Struktur in die rote Zentrale bringen.

Der gebürtige Linzer bringt vor allem Erfahrung in die Löwelstraße mit.
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Der gebürtige Linzer ist, anders als Rendi-Wagner, in der Wiener SPÖ aufgewachsen. Er war Landessekretär der Sozialistischen Jugend Wien, Bezirksrat in Liesing, Landesparteisekretär und ist seit 20 Jahren Gemeinderat.

"Er kennt die Partei wie seine Westentasche", formuliert es Georg Niedermühlbichler. Er kennt Deutsch schon seit den 1980er-Jahren, die Karrierewege der beiden kreuzen sich immer wieder. Niedermühlbichler beerbte Deutsch als Wiener Wahlkampfmanager, auf Bundesebene ist es umgekehrt: Deutsch folgt auf Niedermühlbichler, der 2017 Christian Kerns Wahlkampf verantwortete.

Der neue rote Spindoktor gilt als akribischer Macher. Er weiß, was er tut und was zu tun ist. Dass er das politische Geschäft von der Pike auf gelernt hat, wird in der Partei als wohltuend empfunden. Überhaupt sei es ein gutes Signal gewesen, dass er den Job übernommen habe, denn ein "Himmelfahrtskommando hätte sich Deutsch nicht angetan", sagt ein Parteiinsider.

Trotzdem: "Everybody's Darling" ist er nicht, sagt Niedermühlbichler. Zwei mächtigen Roten hat er in den vergangenen Jahren den Fehdehandschuh hingeworfen. Zunächst erklärte er, dass Michael Häupls Jahre als Bürgermeister gezählt seien, und stieß damit einen zweijährigen Machtkampf um dessen Nachfolge an. Sein Kandidat Michael Ludwig setzte sich schließlich gegen Andreas Schieder durch.

Und dann war da noch die Sache mit Kern. Auch hier äußerte Deutsch Kritik via Twitter und läutete damit die Obmanndebatte im Vorjahr ein. Wenige Wochen später war Kern Geschichte und hinterließ eine gespaltene Partei. Dass er so knapp vor dem Parteitag hinwarf, sei "einmalig in der Geschichte der Sozialdemokratie" gewesen. Mehr will Deutsch dazu nicht sagen.

Mangel an Kreativität

Diese Schachzüge haben ihm nicht alle in der Partei verziehen. Trotzdem ist es besser, Deutsch im Team zu haben als auf der gegnerischen Seite. Er war damals der Überbringer der schlechten Nachricht. "Er ist sich nicht zu schade und scheut sich nicht vor unangenehmen Situationen", befindet Niedermühlbichler heute. Dass jetzt ausgerechnet ein Faymann-Vertrauter eine Kern-Entdeckung managt, wertet er als Zeichen der Versöhnung.

Was manche aber bei seinen Wahlkämpfen vermissen, ist Kreativität. Neue Medien seien nicht seine Welt. Überhaupt fehle es an einer ausgeklügelten Strategie. Deutsch will sich nicht in die Karten blicken lassen und sagt nur: "Wir werden keinen Schmutzkübelwahlkampf führen. Denn wer einen führt, wird nur selbst dreckig." Ein Seitenhieb auf den missglückten Kern-Silberstein-Wahlkampf? In den Social-Media-Auftritt wurde viel investiert, auch auf Facebook und Twitter wird nun der Dialog gesucht.

Und wie will Deutsch es schaffen, die internen Zwischenrufer aus dem Burgenland oder Tirol zu zähmen? Mittlerweile habe jeder in der SPÖ verstanden, wie wichtig es sei, an einem Strang zu ziehen. "Auf diese Einsicht vertraue ich", sagt er. Wie er aber den burgenländischen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil tatsächlich zum Innehalten gebracht hat, bleibt sein Geheimnis. Er poltert nicht, sagt einer, der ihn aus den Wiener Tagen gut kennt – aber er spricht die Dinge an, auch wenn es unbequem ist.

Dass heikle Themen im Wahlkampf ausgespart werden, will der dreifache Vater vermeiden. Mit den Ängsten in der Gesellschaft hat er sich bereits vor zwei Jahren auseinandergesetzt und ein Buch mit dem Titel "Bewegt euch! Eine Abrechnung mit der Angststarre der Österreicher" geschrieben. Ob die Antworten für ein rotes Comeback ausreichen, wird sich im September zeigen. (Marie-Theres Egyed, 2.8.2019)