Okka von der Damerau begeisterte mit den Wiener Philharmonikern und Daniel Barenboim am Pult.

Foto: SF/Marco Borrelli

"Sie sind uns nur vorausgegangen..." – allfälligen Trost aus dieser Textzeile erschüttert aber gleich die folgende. Die Kindertotenlieder Gustav Mahlers auf Gedichte von Friedrich Rückert jenseits rein ästhetischen Erfassens wirken zu lassen, wagt man eigentlich nie so recht. Moumentale Gattung und Anmutung schützen zusätzlich vor zu viel Nachdenken über den Inhalt. Und Solistinnen, die zur Vermittlung der Trauer einer Mutter über den Tod zweier Kinder ihr Stimmgold aufpolieren, sind zum Glück selten glaubwürdig.

Umso bewegender die Lesart von Daniel Barenboim am Pult der Wiener Philharmoniker und der Mezzosopranistin Okka von der Damerau. Die Sängerin agierte weniger als "Vokalsolistin", sondern stellte sich – mit souveränder Ruhe – den Instrumentalisten zur Seite: als gleichberechtigte Partnerin von Oboe, Englischhorn, Klarinette, Bassklarinette, Horn, Celesta.

Zusätzliche Kanten

Der harmonisch ohnehin oft radikale Bläsersatz Mahlers bekam in der radikal kammermusikalischen Behandlung zusätzliche Kanten, die den kleinen Zyklus näher als bei üblicher "süffigerer" Interpreation an die Moderne rücken ließen.

Okka von der Damerau entschlug sich ebenfalls aller Opulenz und großer sängerischer Gesten – und bewegte zutiefst mit der Wirkung beinah realistisch anmutender Fassungslosigkeit angesichts unsagbaren Verlusts. Dabei kam die Vokalstimme trotz dieser Zurückhaltung gut und bei hervorraneder Textverständlichkeit über den Orchesterpart.

Weichgespült und brutal

Aber der Tod zweier Kinder macht noch kein Konzert, Mahlers Fünfte folgte. Spannend der Gegensatz zwischen dem weichgespülten Trauermarsch und dem brutal zuschlagenden Stürmisch bewegt. Von den Bläsern bockig artikulierte Tanzepisoden samt unverschämt "wienerischer" Walzerfetzen gibt es ebenso zu vermelden wie aus der Dritten Abteilung ein erstaunlich irdisches Adagetto samt Rondo-Finale, dem Barenboim bei aller Monumentalität viel Witz zusprach und nicht wenig Ironie. (Heidemarie Klabacher, 23.8.2019)