Schon wieder ein Video: Im Nationalratswahlkampf, den die berüchtigten Aufnahmen von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus auf Ibiza ausgelöst haben, setzt die Volkspartei nun auf Bewegtbild der alten Schule. Selbstredend wusste Schauspielerin Christiane Hörbiger im Unterschied zu den beiden (Ex-)FPÖ-Politikern, dass sie gefilmt wird.

Dennoch geht Hörbiger nun auf Tauchstation: Aus gesundheitlichen Gründen – sie erhole sich von einem Unfall – werde sie keinerlei Anfragen zu dem Video beantworten, richtete die Schauspielerin der Austria Presse Agentur aus. Sie werde auch keine weiteren Wahlkampfauftritte für Kurz absolvieren.

Rendi-Wagner wünscht "gute Besserung"

Und auch das Angebot eines persönlichen Gesprächs, das ihr die von ihr kritisierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner postwendend ebenfalls per Video unterbreitete, schlug sie aus. Am Montag wünschte die Parteichefin der Schauspielerin via Twitter gute Besserung: "Ich freue mich, wenn unser Gespräch zustande kommt, wenn es ihr gesundheitlich wieder besser geht."

Die Facebook-Seite "Wir für Kurz" lancierte das Unterstützungsvideo der Schauspielerin Christiane Hörbiger. Weitere Botschaften könnten folgen. Videos vermitteln Emotionen und haben gute Chancen, dass Nutzer (und potenzielle Wähler) nicht weiterscrollen, sondern hängenbleiben und zuschauen. Bekannte Persönlichkeiten fetten zudem das Angebot der Parteien auf.

Emotion, Aufmerksamkeit und Kalkül

Im Video zeigte Hörbiger noch Verve: "Froh und glücklich" sei sie über Sebastian Kurz als Kanzler gewesen, "entsetzt" dagegen über den "verblödeten" Misstrauensantrag von Rendi-Wagner.

Womit wir bei dem Punkt angelangt sind, der Videos für die politische Kommunikation so bedeutsam macht: Emotion. Kein Text, kein Foto, keine Sprachaufnahme kommt dem persönlichen Kontakt am nächsten, wenn es um die Vermittlung von Gefühlen geht.

Das ist auch sehr wirkungsvoll, um die Politiker selbst zu bewerben, erklärt die Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik von der Donau-Universität Krems: "Man kann in Videos eine sehr persönliche Seite der Kandidaten zeigen. Das funktioniert auch sehr gut in sozialen Medien."

Von den sozialen in die traditionellen Medien

Weil immer mehr Menschen Facebook, Twitter oder Instagram nutzen, herrsche dort ein regelrechter Kampf darum, wann die Nutzer aufhören zu scrollen und dem politischen Inhalt Beachtung schenken, erklärt Praprotnik. "Videos werden rasch angeschaut und erreichen den Einzelnen besser als etwa ein längerer Text", sagt sie. Über die sozialen Medien schafft es der politische Inhalt dann auch in die traditionellen Medien (wie dieser Artikel zeigt).

Denn am Ende geht es wie immer um eines: Aufmerksamkeit. Aus Praprotniks Sicht bringt das Lancieren von Botschaften in den sozialen Medien den Vorteil, dass man auch Nutzer erreicht, die sich nicht gezielt über Politik informieren wollen und quasi nebenbei eine Botschaft serviert bekommen. Und die Botschaft ist im Falle Hörbigers nicht irgendeine: Die Schauspielerin bietet genau die Erzählung von den politischen Ereignissen seit Ibiza-Gate dar, die die ÖVP mit aller Kraft zu verbreiten versucht.

Dieses Ziel, Aufmerksamkeit zu erregen, erreichte auch das Video einer Dame ganz anderen Kalibers: Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 meldete sich die damals 89-jährige Gertrude Pressburger zu Wort, um vor rechter Rhetorik zu warnen – und für Alexander Van der Bellen zu werben. Ihr Appell erzielte innerhalb von vier Tagen drei Millionen Klicks. In den Augen vieler Beobachter brachte der Clip entscheidende Stimmen für den späteren Wahlsieger.

Promis im Wahlkampfboot

Die SPÖ witterte zur EU-Wahl einen Coup, als sie einen Schauspieler, den die FPÖ zuvor für Werbespots engagiert hat, für ein eigenes Video gewinnen (und bezahlen) konnte: Darin verwehrte er sich dagegen, "ins rechte Eck gedrückt" zu werden, und stellte fest: "Ich find's oarg, dass es jetzt immer mehr ins Rechte geht in Österreich."

SPÖ

Während weder der Schauspieler noch Gertrude Pressburger vor ihren Wahlkampfauftritten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt waren, setzen Wahlwerber seit jeher auf prominente Unterstützer – erst in den vergangenen beiden Nationalratswahlkämpfen sind klassische Personenkomitees aus der Mode gekommen. Van der Bellen setzte sie dagegen gezielt ein. Die vielgesuchte Aufmerksamkeit "kann man mit prominenten Persönlichkeiten noch rascher bekommen", sagt Praprotnik: "Das persönliche Angebot in einem Wahlkampf kann man diverser aufstellen, wenn man sich zusätzliche Personen ins Boot holt, die bekannt sind." Ob diese dann tatsächlich einen Effekt im Wahlergebnis bringen, sei aber kaum zu belegen, sagt die Forscherin.

Wahlkampfdrehbuch: Weitere Videos

Laut der Zeitung Österreich sollen noch weitere Prominente Hörbigers Beispiel folgen und sich per Video für Kurz aussprechen. Ob das so stimmt, war nicht in Erfahrung zu bringen: Die ÖVP reagierte trotz mehrmaliger Versuche nicht auf eine diesbezügliche STANDARD-Anfrage. Am Dienstagvormittag allerdings wurde auf der Facebook-Seite "Wir für Kurz" ein weiteres Untersützungsvideo veröffentlicht – diesmal von Ex-Skifahrer Michael Walchhofer.

Reaktionen gibt es dagegen in Christiane Hörbigers fast durchgehend prominenter Familie. Großnichte Mavie Hörbiger schrieb auf Twitter: "Große Familie, sehr unterschiedliche politische Meinungen." Neffe Cornelius Obonya erklärte, dem sei "nichts hinzuzufügen". (Sebastian Fellner, 27.8.2019)