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Wien – Am Dienstag geht der Buwog-Prozess gegen Karl-Heinz Grasser und Co weiter. Die Vorsitzende des Richtersenats, Marion Hohenecker, war zu Beginn des Verfahrens (Ende 2017) von Grassers Anwälten als befangen abgelehnt worden, wegen Grasser-kritischer Tweets ihres Ehemannes, Manfred Hohenecker. Der Befangenheitsantrag wurde abgelehnt – aber für Manfred Hohenecker haben vier seiner Tweets aus dem Jahr 2015 nun Folgen.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) als Disziplinargericht hat den Strafrichter schuldig gesprochen. Er habe seine Pflicht verletzt, wonach sich ein Richter auch "außer Dienst so verhalten muss, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen des Berufsstandes nicht gefährdet werden". Hohenecker muss eine Strafe in Höhe eines Monatsgehalt zahlen und die Verfahrenskosten (600 Euro) tragen.

Richterkollegin Bandion desavouiert

Die erste Instanz, ein Disziplinarsenat am Oberlandesgericht Graz, hatte den Richter freigesprochen, der Disziplinaranwalt in Bezug auf vier Tweets Berufung eingelegt. Der OGH gab ihr Folge, seine Entscheidung ist rechtskräftig. Was Hohenecker etwa getwittert hatte: "Sollte Bandion der Prozess gegen Grasser zufallen, wenn es denn je einen geben wird, so spricht es sich leichter von Minister zu Minister." Gemeint war Exjustizministerin Claudia Bandion-Ortner, inzwischen wieder Strafrichterin.

Oder, in Anspielung auf einen "Tatort", in dem Selbstjustiz an (nicht zur Verantwortung gezogenen) Verbrechern geübt wurde: "Gäb's den 'Tatort' wirklich, wäre Grasser in Lebensgefahr." Mit dem Bandion-Tweet habe Hohenecker "die Fähigkeit seiner Kollegin Bandion aufgrund ihrer politischen Vergangenheit infrage gestellt oder ihr sogar abgesprochen, einen eventuellen Strafprozess gegen Grasser objektiv und unvoreingenommen zu führen", begründet der OGH seine Entscheidung.

Grasser und Kurz: Eitel und frech

Auch ein Tweet Manfred Hoheneckers von Mai 2017 ist Grund für die disziplinarrechtliche Verurteilung. Damals antwortete der Richter auf einen Tweet des Grünen-Abgeordneten Peter Pilz, der da gemeint hatte: "Warum haben in Deutschland politische Schnösel wie Grasser und #sebastiankurz keine Chance? Andere Medienkultur?" Des Richters Antwort via Twitter: "Das wundert mich auch seit Hannes Androsch."

Laut der ersten Instanz habe der Richter damit "zu erkennen gegeben, dass er die politische Arbeit des ehemalige, im 31. Lebensjahr bestellten Finanzministers Grasser und des damaligen, im 28. Lebensjahr ernannten Außenministers … Sebastian Kurz nicht goutiere und beide Politiker für arrogante, eitle, freche und gleichgültige Männer halte", ist im OGH-Entscheid nachzulesen. Die erste Instanz hat das zwar als ehrenrührig erachtet, aber entschieden, dass diese Tweets Manfred Hohenecker damals nicht zuordenbar waren, weil der unter einer Abkürzung seines Namens twitterte. Kurz gesagt, habe man nicht erkennen können, dass da ein Richter twitterte. Der OGH als zweite Instanz sah es anders.

Richter haben weniger Meinungsfreiheit

Und er kommt in seiner Entscheidung ganz generell zum Schluss, dass Richter wegen ihrer besonderen Funktion im Rechtsstaat "weitergehende Beschränkungen bei ihren Meinungsäußerungen hinzunehmen" hätten.

Bei der Strafbemessung ortet der OGH auch Erschwerungsgründe, und da geht es neben Tatwiederholung auch um die Tätigkeit seiner Frau: Erschwerend sei auch, dass die Taten "zu einer Beeinträchtigung der Durchführung des von der Ehegattin des Beschuldigten seit 2017 geleiteten Strafverfahrens gegen Mag. Grasser (zumindest in Form eines Ablehnungsantrags gegen die Vorsitzende) führten". Mildernd sei die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit Manfred Hoheneckers und sein Beitrag zur Wahrheitsfindung.

Hohenecker ruft EGMR an

Manfred Hohenecker will die Entscheidung nicht auf sich beruhen lassen und wird Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg einlegen, wie er dem STANDARD sagt. Er habe de facto anonym getwittert, sagt er, und das Verfahren vor der zweiten Instanz sei unfair gewesen. Und: Er fühle sich sehr wohl in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt. (Renate Graber, 23.9.2019)