Kasperl und Pezi.

Foto: Suzy Stöckl

André Hellers Einsatz hat dem drohenden Ende der Wiener Kulturinstitution Kasperltheater entgegengewirkt. Daher heißt es ab Freitag wieder "Krawuzikapuzi!" in der Urania. Die neue Spielzeit wird mit dem Wiedersehen alter Freunde zelebriert: Kasperl und Pezi laden Jung und Alt zur Premiere des Stücks "Das Einhorn".

ORF

Heller möchte dabei nicht nur das Erbe des im April verstorbenen Manfred Müller antreten, sondern auch auf das bereits etablierte Team zurückgreifen. So wird Alexandra Filla weiterhin als Prinzipalin künstlerisch mitverantwortlich sein. Filla hat jahrzehntelang der Figur Pezi ihre Stimme wie auch ihre Fingerfertigkeit geliehen.

Tradition und Innovation

Zusammen mit dem traditionsbewussten Umgang dieser Kulturstätte wird es auch zu kleineren Veränderungen kommen. So kündigte Bühnenchef Richard Hartenberger bereits "sanfte Überarbeitungen" an. Kasperl und Pezi sollen zum Beispiel noch kleinere kosmetische Eingriffe bekommen. Auch eine "technische Modernisierung" kündigt das Theater an.

Damit wollen Heller und Hartenberger dem sich über die Jahre verändernden Gusto der Zuschauerinnen und Zuschauer gerecht werden. Omas und Opas können dadurch neben ihren Enkelkindern selbst wieder einmal richtig schön Kind sein.

Der alte und der neue Leiter: Manfred Müller und André Heller (re.).
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Die Ära Heller

Heller wird sich wohl vorerst nicht am täglichen Betrieb beteiligen. Ob das Multitalent in Zukunft selbst Stücke beitragen wird, bleibt offen. Das Urania-Theater kann aber bereits auf einen riesigen Fundus an Stücken von Hans Kraus und Manfred Müller zurückgreifen. Die treuen Fans aller Generationen verlangen geradezu nach diesen Stücken. So oder so kommen Puppenfreunde in der neuen Spielzeit wieder auf ihre Kosten. (Huy Van Jonny Diep, 4.10.2019)

Kasperl und Pezi begrüßen André Heller.
DER STANDARD

An das Kasperltheater gibt es gute und weniger gute Erinnerungen. Zum Saisonstart der Urania-Puppenbühne bringt der STANDARD zwei konträre Erfahrungen:

STANDARD-Vizechefredakteur Rainer Schüller:

Hier war der weltweit letzte Rückzugsort ohne Verbote für große und kleine Kinder. Das Kasperltheater in der Urania garantierte die volle Infantilität. Aufmunitioniert wurden Papa, Mama und Kind schon im Eingangsbereich. Während in der Außenwelt höchstens Dinkelkekse erlaubt waren, gab es hier Zucker bis zum Abwinken. Sportgummi und Tutti Frutti, am besten gleich mit einem kräftigen Schluck Schartner Bombe im Mund vermischt. Schmackofatz!

Und dann kam die Frage aller Fragen: "Seid ihr alle da?" Die Kinder und die Eltern wurden eingepeitscht, "Jaaaa!!!" zu schreien. Grandiose Userbeteiligung, wie sie sonst nur im Forum des STANDARD gemacht wird. "Grüß euch, ihr Schnudibudln! Jupeidi und Jupeida, Kasperl und Pezi sind schon da!" Die beiden Hauptdarsteller lieferten einen Schmäh, der in seiner Seichtheit so perfekt austariert war, dass möglichst alle abgeholt wurden. Wären die Spindoktoren der Sozialdemokratie öfter in der Urania gewesen, wüssten sie, wie man sein Zielpublikum erreicht. Für den garantierten Lach- und Sympathieerfolg streute der Drache Dagobert noch ein "Bussi, Bussi" drüber.

Wenn André Heller hier Erfolg haben will, verändert er am besten gar nichts. Sollte er eine Neuinterpretation wagen, könnte er sich zum Kasperl machen.

STANDARD-Textchef Eric Frey:

Die Kasperlsendungen auf dem Schwarz-Weiß-Bildschirm waren eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen. Obwohl ich auch die Paarung Kasperl/Strolchi immer mochte, freute ich mich mehr, wenn der Urania-Kasperl mit Pezi auftrat. Dieses "Krawuzikapuzi" war das wahre Kasperlvergnügen.

Dann wurde ich Vater und fieberte dem Augenblick entgegen, in dem ich gemeinsam mit meiner Tochter den Kasperl wiedersehen durfte. Ich erklärte sie schon früh für Kasperl-reif, marschierte mit ihr Richtung Urania – und erlebte dort eine fast traumatische Enttäuschung: So dünn war die Handlung, so banal die Dialoge, so unergiebig das Ende. Darauf hatte ich mich einst so gefreut? Nun ja, meine Tochter war begeistert, und so gingen wir wieder, und wieder, und wieder. Die Geschichten wurden nicht besser. Zum Glück sind die Aufführungen kurz, und die Gummibärchenpause ist recht lang.

Es dauerte rund ein Jahr, da wurde das Krokodil- und Hexen-Gekreische auch meiner Tochter zu blöd. Und als mein Sohn ins Kasperl-Alter kam, da hatten wir eine eigene Bühne zu Hause und alle wichtigen Figuren, mit denen er begeistert seine eigenen, völlig unverständlichen Stücke aufführte. Die Urania interessierte ihn kaum. Ob André Heller meine Kindheitsfantasien erfüllen kann? Ich will es gar nicht wissen.