"Immer noch Sturm" bei den Salzburger Festspielen – und bald wieder am Koproduktionspartnerhaus, dem Thalia Theater Hamburg.

APA/Barbara Gindl

Nobelpreisträger gelten nicht immer als so etablierte Theaterautoren, wie Peter Handke einer ist. Elfriede Jelinek, Harold Pinter oder Dario Fo bilden da die Ausnahme; weiter zurückliegend auch Samuel Beckett (1967) und Gerhart Hauptmann (1912). Handke aber war von Beginn seines Schriftstellerdaseins an auch Dramatiker. Er selbst würde diese Bezeichnung von sich weisen, denn "Dramatisches" im Sinn von Spannungskulmination liegt dem heute 77-Jährigen fern.

In Die Geschichte des Bleistifts schreibt er: "Ein Epos aus Haikus (...), ohne Handlung, ohne Intrige, ohne Dramatik, und doch erzählend: das schwebt mir vor als das Höchste." Episch sind seine Theaterstücke auch geblieben. Stets ficht in ihnen die Sprache allein, ohne die im bürgerlichen Theater üblichen Dialog- und Handlungsdynamiken. Das "Dramatische Gedicht" Über die Dörfer ist mit seinen himmellangen Monologen einer der frühen Beweise dafür. Es war 1982 nach bahnbrechenden Texten wie Publikumsbeschimpfung oder Kaspar bereits Handkes zehnter Bühnentext.

In Wahrheit war Peter Handke schon ein Autor der Postdramatik, als es den Begriff noch gar nicht gab. Mit seiner beschreibungsfidelen, den Sprecher, die Zeit, den Raum infrage stellenden Literatur hat er dem Theater formal stets vorgegriffen. Nicht spielen, sondern eine "Versammlung" bilden, das ist die Devise in Handkes Theaterverständnis – so hat es der Theoretiker Hans-Thies Lehmann beschrieben. Es entstanden Stücke wie Das Spiel vom Fragen oder Die Stunde da wir nichts voneinander wussten.

Ansprache, Predigt

Dieses undramatische Selbstverständnis Handkes geht mit einer Affinität zum griechischen Theater einher: mit der Begeisterung für ein evokatives Theater, das zu den Göttern spricht, das beschreibt und nachvollzieht.

Handke schreibt also (Elfriede Jelinek nicht unähnlich) eher gegen als für das Theater, sodass die Regie im blanken Illustrationsnotstand vor allem damit beschäftigt ist, dem Sprechakt "Sichtbarkeit" zu verschaffen (Regisseur Claus Peymann baute Handke-Schauplätze zuletzt noch naturalistisch nach). Es sind bevorzugt Texte mit Hang zu den Gattungen Ansprache, Predigt, Schmährede oder Levitenlesung. Handke-Stücke verlangen demgemäß immer neue formale Lösungen. Das Giftspritzer-Stationendrama Untertagblues am Akademietheater bettete Regisseurin Friederike Heller schon 2004 wohlweislich zeremoniell in ein Sprechkonzert ein.

Uraufführung in Salzburg

Handke-Stücke sind auf den Spielplänen präsent, allerdings weniger als jene von Zeitgenossen, die spezifische "hot topics" verhandeln. Handkes Poetologie ist aufgelöst in einem eigenen Seinszusammenhang, selbst das von nationaler Geschichte unterfütterte Drama Immer noch Sturm weist über sein Land, seine Zeit, seine Figuren hinaus.

Der Nobelpreis wird die Inszenierungslage gewiss weiter ankurbeln. Zdenek Adamec, ein Stück über den Prager Märtyrer, dem Handke bereits im Roman Die Obstdiebin ein Kapitel gewidmet hat, wird bei den Salzburger Festspielen 2020 Uraufführung feiern. Auch das Burgtheater plant Handke-Premieren, so Martin Kusej. Genaueres dazu ist noch nicht bekannt. (Margarete Affenzeller, 12.10.2019)