Marlies Breuss ist Architektin in Wien und sitzt im Fachbeirat Stadtentwicklung von Eisenstadt.

Foto: Wolfgang Thaler

Eisenstadt ist kleinstrukturiert und dennoch eine Stadt.

Foto: Tourismusverband Eisenstadt Leithaland/Ronald Fenk

Ihre Zukunft steht im Stadtentwicklungsplan STEP 2030.

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Eisenstadt, mit 14.500 Einwohnern kleinste Landeshauptstadt, ist mit stetigem Bevölkerungswachstum konfrontiert. Seit 2015 gibt es den Stadtentwicklungsplan STEP 2030 und einen Fachbeirat, der sich aus den zwei Architekten Marlies Breuss und Anton Mayerhofer sowie dem Stadtplaner Robert Korab zusammensetzt.

STANDARD: Warum ist Eisenstadt so begehrt?

Breuss: Es gibt einen historischen Stadtkern, Weinberge und Heurige im Stadtgebiet und den Neusiedler See direkt vor der Haustüre. Außerdem ist die Größe ein angenehmer Gegensatz zu Wien. Eisenstadt ist zwar eine Stadt, aber kleinstrukturiert. Das ist eine gute Mischung.

STANDARD: Gibt es viele Eisenstädter, die in Wien arbeiten?

Breuss: Einige sicher. Aber viele arbeiten vor Ort.

STANDARD: Wie stark wächst Eisenstadt?

Breuss: Bis ins Jahr 2030 wurde im Stadtentwicklungsplan ein mäßiges Wachstum von 1,3 Prozent pro Jahr festgelegt.

STANDARD: Kann die vorhandene Infrastruktur da mithalten?

Breuss: Bisher ja. Es wird versucht, sie mit der Bevölkerungszahl mitwachsen zu lassen. Es gibt etwa ein neues Gymnasium, ein neues Justiz- sowie ein neues Kulturzentrum. Aktuell wird außerdem das Radnetz ausgebaut. Einzelne Radwege führen bereits von außerhalb der Stadt bis ins Zentrum. Auch der Stadtbus, den es seit drei Jahren gibt, wird gut angenommen.

STANDARD: Apropos Verkehr. Wo gibt es hier Aufholbedarf?

Breuss: Die öffentliche Bahnverbindung ist sicher ein Thema. Über Neusiedl kommt man ohne Umsteigen von Eisenstadt nach Wien. Auf der südwestlichen Bahnstrecke muss man allerdings immer noch umsteigen. Wenn man vergleicht: Von Wien aus fährt man eine gute Stunde nach Linz, nach Eisenstadt braucht man auch eine Stunde und 15 Minuten. Da gibt es schon Verbesserungsbedarf.

STANDARD: Und in der Stadt?

Breuss: Mit beruhigenden Maßnahmen soll der Verkehr mit dem Wachstum der Stadt in Einklang gebracht werden. Etwa im Entwicklungsgebiet Kirchäcker Ost wird versucht, ein Stadtteilzentrum mit Quartiersplatz und Querungsmöglichkeiten entstehen zu lassen, sodass innere Verbindungen mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden können.

STANDARD: Sind Autos ein Problem?

Breuss: Es gibt natürlich vielbefahrene Knotenpunkte, vor allem in der Früh und am Abend. Innerhalb des Stadtgebietes werden etwa Bäume gesetzt, die eher zu Hindernissen für Autofahrer werden sollen. Ähnliche Methoden werden auch in anderen Städten umgesetzt.

STANDARD: Will die Stadt wachsen?

Breuss: Natürlich bedeutet Wachstum auch wirtschaftliche Vorteile. Dennoch ist in Politik und Bevölkerung kein übermäßiger Zuzug erwünscht.

STANDARD: Durch welche Maßnahmen kann der Zuzug kontrolliert werden?

Breuss: Im Stadtentwicklungsplan wurden vierzehn Untersuchungszonen festgelegt. Bevor dort gebaut wird, soll es genaue planerische Analysen des Gebietes geben, ob tatsächlich Bedarf vorhanden ist und wie es um das öffentliche Interesse bestellt ist.

STANDARD: Wie wurden die Zonen ausgewählt?

Breuss: Anhand von besonderen Bestandsstrukturen, potenziellen Entwicklungsgebieten und sensiblen Übergangszonen. Es gibt dort private Initiativen oder Planungsvorhaben, Ziele oder Planungsabsichten der Stadtgemeinde, oder der Planungsbeirat nimmt an, dass es dort zu substanziellen Änderungen etwa bei öffentlichen und halböffentlichen Einrichtungen und Institutionen kommen wird. Für jedes einzelne Gebiet wurde der Handlungsbedarf definiert, das ist etwa die Wahrung eines dörflichen Charakters, die Verbindung mit anderen Stadtteilen und die Festlegung eines Planungsverfahrens durch die Stadtgemeinde.

STANDARD: Die FPÖ Eisenstadt ortet Großstadtprobleme. Was ist dran?

Breuss: Das kann ich nicht nachvollziehen, es gibt weder Gentrifizierung noch hohe Kriminalität.

STANDARD: Wie steht es um die Siedlungsdichte in Eisenstadt?

Breuss: Es gibt eindeutige Einfamilienhausstrukturen, die auch also solche belassen werden, zum Beispiel in Gebieten wie Kleinhöflein oder Langau. Ansonsten wird in den Untersuchungszonen verdichteter Flach- oder Geschoßwohnbau auch vom Bürgermeister und dem Gemeinderat unterstützt. Das Thema Dichte ist angekommen und wird auch ernst genommen.

STANDARD: Und in der Bevölkerung?

Breuss: Die problematische Nachverdichtung im Raum Kirchäcker West hat die Einwohner von Eisenstadt negativ beeinflusst. Dort fehlen Grünflächen, Freiräume für Kinder und Querungen für Fußgänger. Die Eisenstädter haben damals reagiert und zu Recht gefordert, dass hier etwas geändert werden muss. Basierend darauf wird der Stadtentwicklungsplan beachtet und die Bevölkerung miteinbezogen. Wenn aber nicht alles versiegelt ist, es guten Grünraum gibt und Kinder in der Natur spielen können, kann von der Bevölkerung verdichtete Bebauung auch akzeptiert werden.

STANDARD: Werden noch Einfamilienhäuser gebaut?

Breuss: Ja, natürlich. Wir versuchen, vorhandene, gewachsene Strukturen nicht zu brechen und weiterhin zu ermöglichen.

STANDARD: Bis 2030 soll Eisenstadt laut Stadtentwicklungsplan insgesamt 16.500 Einwohner haben. Gibt es für diese Zuzügler genug Baulandreserven?

Breuss: Absolut, sogar bis über das Jahr 2030 hinaus. Es gibt 160 Hektar Baulandreserve, das entspricht 30 Prozent des gesamten Wohnbaulandes.

STANDARD: Wird dennoch Bauland neu gewidmet?

Breuss: Als Fachbeirat vertreten wir die Haltung, dass im Sinne kompakter Stadtentwicklung zuerst bereits in Entwicklung befindliche Gebiete vollständig bebaut werden sollen, bevor neue aufgeschlossen werden, auch wenn diese bereits als Bauland gewidmet sind. (Bernadette Redl, 13.11.2019)