Klimaschützer nennen den neuen Klimaplan der Regierung einen "Schlag ins Gesicht".

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Eine Woche nach der Vorstellung des nächsten Entwurfs des nationalen Energie- und Klimaplans der Regierung (NEKP) reißt die Kritik an diesem nicht ab. Mit dem vorliegenden Papier wurde "die rote Linie der politischen Verantwortungslosigkeit überschritten", kritisierte Gottfried Kirchengast, Klimaexperte des Grazer Wegener Centers, am Dienstag in einer Pressekonferenz. Kirchengast hatte vor einigen Wochen zusammen mit zahlreichen anderen Wissenschaftern einen Referenzklimaplan präsentiert, die darin von Experten erarbeiteten Maßnahmen wurden im Regierungsentwurf weitgehend übergangen.

Laut EU-Ziel muss Österreich seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 außerhalb des Emissionshandels im Vergleich zu 2005 um 36 Prozent reduzieren. Der Wissenschafter schätzt, dass die im NEKP-Entwurf genannten Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen werden, um diesen Wert zu erreichen – und spricht von einer "politischen Lähmung". Dem Ziel laut Pariser Klimakonvention, zu dem sich die Republik verpflichtet hat, würden die Pläne bei weitem nicht gerecht werden, kritisiert Kirchengast.

Zumal die Emissionen nach Einschätzungen des Grazer Instituts 2019 erneut ansteigen dürften. 2018 war der heimische Ausstoß ja gesunken – das Minus war größtenteils auf Einmaleffekte durch die Wartung eines Voest-Hochofens und auf Witterungsbedingungen zurückzuführen. Ähnliche Effekte seien für das laufende Jahr nicht zu erwarten, hieß es am Dienstag.

Emissionsausstoß höher als 1990

Die beteiligten Wissenschafter rechnen damit, dass die Gesamtemissionen heuer im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 bis 2,6 Prozent steigen werden. Damit würde Österreich ein weiteres Mal an den Zielen laut Klimaschutzgesetz vorbeischrammen. Auch die bisher erzielten "Puffer" aus vergangenen Jahren, in denen weniger emittiert wurde, dürften voraussichtlich im kommenden Jahr aufgebraucht werden. Nach derzeitigen Prognosen wird die Republik heuer insgesamt rund 80,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente emittieren – das wären 2,1 Millionen Tonnen mehr als im Jahr 1990.

Die öffentliche Begutachtungsphase für den Klimaplan läuft noch bis Anfang Dezember, eine Folgenabschätzung der geplanten Maßnahmen sowie ein Finanzierungsplan wurden bis dato nicht vorlegt. Kirchengast, aber auch die an der Pressekonferenz beteiligten NGOs und Klimaaktivisten, gehen nicht davon aus, dass es im finalen Entwurf zu tiefgreifenden Veränderungen des Plans kommen wird. Immerhin wird bereits am 18. Dezember im Nationalrat über den Plan abgestimmt, Ende Dezember muss er nach Brüssel geschickt werden. Für etwaige Veränderungen bleiben also nur wenige Tage Zeit.

Plan mit "Weichmacherformulierungen"

Scharfe Kritik an dem Regierungsplan gab es am Dienstag auch seitens der teilnehmenden Umweltorganisationen. Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von Global 2000, spricht von "vielen Weichmacherformulierungen" im NEKP. Unter anderem griffen die Autoren mehrfach auf Formulierungen wie "wir streben an" zurück. "Wichtige Maßnahmen", etwa eine ökosoziale Steuerreform, wurden laut Wahlmüller nur als "Optionen" festgehalten. "Das ist kein Plan, das ist ein Fiasko", schließt der Klimaexperte.

Unmut herrschte auf beim WWF, der kritisiert, dass sich Finanz- und Verkehrsministerium in der Vergangenheit kaum in Klimaschutzagenden eingebracht hätten: "Das Finanzministerium weigert sich seit Jahren, die enormen Folgekosten zu akzeptieren." Gemeint sind damit die möglichen Milliardenkosten, die auf die Republik bei einer Klimazielverfehlung durch den Zukauf von Emissionszertifikaten zukommen könnten.

Auch Vertreter des Klimaschutzvolksbegehrens und Demo-Koordinatoren von Fridays for Future waren am Dienstag anwesend. Nach Monaten der Klimaproteste sei der vorliegenden NEKP ein "Schlag ins Gesicht", meinten diese. (Nora Laufer, 12.11.2019)