Im Gastkommentar erklärt Bernhard Görg, der ehemalige ÖVP-Politiker war auch im Human-Resources-Bereich tätig, dass Transparenz guter Personalauswahl nicht unbedingt förderlich ist. Lesen Sie zur Causa Casinos auch die Gastkommentare von Peter Doralt, Heidi Glück und Georg Krakow.

Bei der Personalauswahl sollte man sich nicht in die Karten schauen lassen.

Mitte der Sechzigerjahre war ich kurz Referent in der ÖVP-Parteizentrale und erinnere mich noch gut, dass die Bestellung von Vorständen im Großreich der verstaatlichten Wirtschaft im höchsten Parteigremium erfolgt ist. Es ist anzunehmen, dass es bei der SPÖ nicht viel anders war. Das ist mir, der ich damals null Ahnung von Wirtschaft hatte, als völlig normal erschienen. Ich nehme auch heute noch nicht an, dass damals Idioten bestellt worden sind. Aber sicher hat die politische Vernetzung der Kandidaten eine größere Rolle gespielt als deren Managementtalent.

Seitdem ist viel Wasser die Donau hinuntergeflossen, obwohl der Fall Sidlo das Gegenteil zu bestätigen scheint. Spätestens Mitte der Achtzigerjahre, als festgestand war, dass der Verstaatlichten das Wasser nicht nur bis zum Hals, sondern bis zu den Haarspitzen gereicht hat, hat man begonnen, die Führungsqualitäten der Spitzenmanager in den Fokus zu rücken und auch Personen zu rekrutieren, die nicht aus dem politisch-industriellen Komplex stammten. Aber erstens hat man das zu wenig systematisch gemacht, und zweitens haben sich manche dieser Führungskräfte, die von ihren früheren Firmen oft das Atmen hochprozentigen Sauerstoffs gewohnt waren, in der durch Finanznöte, politischen Druck und Betriebsratsquerelen verunreinigten Luft nicht zurechtgefunden.

Zauberwort Transparenz

Verstaatlichte Industrie und Großbanken sind längst privatisiert, andere Unternehmen im öffentlichen Eigentum zumindest teilprivatisiert und an die Börse gebracht. Das ist freilich kein absoluter Garant für ein exzellentes Management, aber der beste Weg zu diesem Ziel. Ein gutes politisches Netzwerk ist zwar auch heute noch durchaus hilfreich, aber die Zeiten, in denen Politiker nach Gutsherrenart Personen in Positionen hieven konnten, für die diese absolut keine Qualifikation hatten, sind im Großen und Ganzen vorbei. Bis eben jetzt der Fall „Sidlo“ passiert ist.

Nun tauchen in der öffentlichen Debatte alle möglichen Vorschläge auf, um einen weiteren solchen Fall zu verhindern. Da fällt immer das Zauberwort Transparenz. Klingt gut, zählt aber zu den Heilmitteln, die die Krankheit nicht nur nicht heilen, sondern sogar verschlimmern. Und geradezu tödlich ist der im Gastkommentar „Der Postenschacher ist rechtswidrig“ gemachte Vorschlag, übergangenen Kandidaten, die sich als sachlich besser qualifiziert fühlen, staatliche Rechtshilfe bei der Durchsetzung ihrer vermeintlichen Ansprüche angedeihen zu lassen.

Geheime Kommandosache

Headhunter hören von potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten schon beim ersten unverbindlichen Gespräch immer eine Frage: Wie sicher kann ich sein, dass mein derzeitiger Arbeitgeber erst dann über diese Gespräche erfährt, wenn ich ein fixes Angebot angenommen habe? Nur arbeitslose Kandidaten stellen diese Frage nie. Aber das sind nicht die Personen, auf denen das Auge eines mit der Suche beauftragten Beraters wohlgefällig ruht. Je mehr Personen über einen solchen Prozess Bescheid wissen, umso größer ist das Risiko einer Indiskretion. Mit dem Ergebnis, dass die interessanten Kandidaten wie scheue Rehe schon im Unterholz verschwinden, bevor man sie überhaupt gesichtet hat. Je geheimer die Kommandosache, umso größer die Chance auf Erfolg.

Das ist auch einer der Gründe, warum Aufsichtsratsgremien in internationalen Unternehmen einen eigenen, ganz kleinen Personalausschuss unter Führung des Aufsichtsratspräsidenten installieren, dem die Aufgabe der Rekrutierung des Vorstands anvertraut ist.

Ein bisschen mehr Mut!

Und welcher im Zuge eines Auswahlverfahrens unterlegene Kandidat wird Rechtshilfe in Anspruch nehmen, um vor irgendwelchen Instanzen seinen Anspruch auf den Spitzenplatz zu beweisen? Er wird neben dem Spott seiner neidischen Kollegen auch den Schaden haben, weil sein Arbeitgeber in Sachen Abwanderungsgelüste keinen Spaß versteht. Abwanderungsgelüste stoßen sogar im gewiss nicht zimperlichen Profifußball sauer auf. Den Versuch, eine Bestellung mit juristischen Mitteln zu erkämpfen, können sich nur pragmatisierte Beamte leisten, denen der Arbeitsplatz auf alle Fälle sicher ist.

Bleibt noch die Forderung nach weiterer Objektivierung, die in diesem Zusammenhang auch immer wieder fällt. Aber gerade bei Peter Sidlo ist genügend objektiviert worden. Ein renommierter Personalberater hat ein vernichtendes Urteil gefällt, und die für die Bestellung des Vorstands zuständige Aufsichtsratsspitze hat diese Einschätzung offensichtlich geteilt. Bestellt wurde Herr Sidlo trotzdem. Da hätte auch ein weiterer möglicher Objektivierungsschritt, der im Moment meine Fantasie übersteigt, nicht geholfen. Geholfen hätte einzig und allein ein bisschen mehr Mut vor Königsthronen. Aber das ist eine Eigenschaft, die offensichtlich so selten ist, dass man sie mit der Lupe suchen muss. (Bernhard Görg, 26.11.2019)