Etwa 2.000 Kinder sind aktuell zum häuslichen Unterricht angemeldet.

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Der Glaube, dass jedes Kind zwischen sechs und 14 Jahren in Österreich eine Schule besuchen muss, unterliegt einem weitverbreiteten Missverständnis. Denn hierzulande herrscht keine Schul-, sondern lediglich eine Unterrichtspflicht. Das bedeutet, dass Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schicken müssen, sondern sie genauso gut zu Hause unterrichten können.

Das Einzige, was die Eltern tun müssen, ist, dies den Behörden innerhalb einer bestimmten Frist am jeweiligen Schuljahresbeginn mitzuteilen. Die Kinder müssen dann einmal pro Jahr im Rahmen einer sogenannten Externistenprüfung unter Beweis stellen, dass sie Wissen entsprechend ihren beschulten Alterskollegen erworben haben. Es muss weder eine Angabe von Gründen für den Hausunterricht noch eine Ausbildung der Eltern vorliegen.

Die Eltern von 2000 Kindern haben mit Stand Dezember 2019 von dieser Möglichkeit gewusst und auch Gebrauch davon gemacht. Das bedeutet einen leichten Rückgang. Die Zahlen zeigen auch, dass häuslicher Unterricht, gemessen an der Anzahl der Schüler, nicht in allen Bundesländern gleich weit verbreitet ist. In Wien besuchen etwas weniger als 300 Kinder den häuslichen Unterricht, in der Steiermark etwas mehr als 300 und in Tirol gut 200.

Das geht aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung von der ehemaligen Bildungsministerin der Beamtenregierung Iris Rauskala an die SPÖ hervor. Welchen Hintergrund – etwa sozioökonomischer Natur – die Familien haben, die ihre Kinder daheim unterrichten, wird mangels gesetzlicher Grundlage nicht erhoben. Ebenso kann das Ministerium keine Auskunft darüber geben, wie viele Kinder, die im häuslichen Unterricht waren oder sind, die Matura absolvierten.

Fehlende Kontrolle

In Diskussion geriet der häusliche Unterricht kürzlich wieder, nachdem ein 13-jähriges Mädchen in Niederösterreich aufgrund mutmaßlicher medizinischer Vernachlässigung durch die Eltern an einer behandelbaren Krankheit gestorben war. Die Staatsanwaltschaft Krems erhob Anklage wegen Mordes. Experten und Betroffene warnen, wie etwa kürzlich im STANDARD, vor einem etwaigen kinderrechtsverletzenden Potenzial des häuslichen Unterrichts, der aufgrund der fehlenden Kontrollmöglichkeiten Missbrauch begünstige.

Offen ist, was jetzt mit den Plänen, die auch im Bildungsministerium selbst vorliegen, passiert. Noch vor der Koalitionseinigung hieß es, dass angedacht sei, die Kontrollmöglichkeiten zu verschärfen. Wie diese Maßnahmen konkret aussehen könnten, blieb jedoch auch in der Anfragebeantwortung unklar. Auf die Frage, ob es Bestrebungen gebe, das Schulpflichtgesetz zu ändern, lautete die Antwort schlicht Ja. Die Frage, inwiefern die Kontrollmöglichkeiten, etwa durch eine Verschränkung mit der Kinder- und Jugendhilfe, verschärft werden sollten, blieb unbeantwortet. Ob Türkis-Grün die Pläne aufgreifen will oder wird, ist offen.

In Ausnahmefällen erlaubt

Die SPÖ fordert nun eine Reform der Schulpflicht, nach der häuslicher Unterricht nur mehr in Ausnahmefällen erlaubt sein soll. Durch eine Novellierung des Schulpflichtgesetzes soll dieser nur mehr möglich sein, wenn etwa gesundheitliche Gründe gegen einen Besuch der Schule sprechen oder Eltern im Ausland arbeiten. In einem Positionspapier heißt es: "Abgesehen von der schlechteren Vorbereitung auf die weitere Bildungslaufbahn und der schulfachlichen Seite gilt es vor allem das Kindeswohl zu beleuchten. Man raubt diesen Kindern meist die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Kindern und zum sozialen Lernen." Zudem werde in der Schule ja auch eine gewisse Werthaltung vermittelt, etwa zu Demokratie und Gesellschaft.

"Kinder haben das Recht auf die beste Bildung", sagt Sonja Hammerschmid, Ex-Ministerin und nunmehrige Bildungssprecherin der SPÖ, zum STANDARD. "Dabei geht es nicht nur um fachliche Kompetenzen, sondern auch um sozialen Austausch im Klassenzimmer." (Vanessa Gaigg, 9.1.2020)