Das Bett des Grafen Almaviva (Michael Scherff, Mitte) muss viel mitmachen, etwa als Versteck von Figaro (Tilman Rose, re.). Susanna (Marthe Lola Deutschmann) bangt um ihn.

Foto: Alexi Pelekanos

Die Handlung von W. A. Mozarts Oper Figaros Hochzeit ist in etwa so verdreht wie die Locken, die der besagte Kerl auf den Häuptern der Hofgesellschaft des Grafen Almaviva anrichtet. Allen voran auf dem der Susanna – kein Wunder, ist er ja in sie verliebt. Der Graf selbst allerdings auch. Dafür hat Figaro es ebenso der Marcellina angetan, bei der er in Schulden steht – sie will Zuneigung zurück. Langer Rede kurzer Sinn: Die mit Bühne und Kostümen betraute Isabelle Kittnar hatte im Landestheater Niederösterreich viele Löckchen in viele Perücken zu drehen.

Doch nicht nur sie hat eifrig gezwirbelt. Löckchen hat der Abend von Regisseur Philipp Moschitz überall, auch in den seidenen Kniebundhosen und rosa Strümpfen, im musikalischen Wildern in neueren Epochen und in manch sprachspielerischen Zoten.

Gewitzt und ein Spaß ist das, wo der Klamauk mit dem Untertitel (aber nicht die Oper!) nah am Material und Kosmos derselbigen bleibt. Gleich zu Beginn sprechen Tilman Rose und Marthe Lola Deutschmann etwa ein Duett. Im Reim der Verse und der Wiederholung mancher Zeilen zur Melodie schwingt bald eine Ahnung von Mozarts dazu komponierter Musik mit. Ein toller Effekt auch, wenn Cherubin dem eifersüchtigen Grafen (Michael Scherff) um Haaresbreite aus dem Fenster springend und "ba ba ba babababa ba" singend entgeht und ein dabei eingeblendeter Text uns mitteilt, was sein stotternder Gesang in klaren Worten meinen könnte.

Queere Kapriolenkritik

In diesen besten Momenten ist das Stück eine Parodie nicht nur auf Mozarts Figaro, sondern auf Konventionen und Kapriolen der Gattung Oper selbst. Wie wird der basslastige Graf die Arie der Königin der Nacht derpacken? Richtig gut! Eine nette Idee gelingt der Inszenierung auch, wenn Cherubin (recht queer angelegt von Andreas Thiele) in einer Arie fliegend zwischen Italienisch (weil es um Liebe geht!) und Tschechisch (nein, doch besser Italienisch!) switcht.

Dass hochwertiger Klamauk und Oper zusammenpassen, dafür gibt’s Beispiele. Den Eindruck von Hochwertigkeit kann der Abend aber nicht durchgängig halten. Gelingt das Dosieren des an sich reizvollen Ansatzes nicht, mischen sich billige Schmähs hinein und schlittern Szenen mehr in Richtung platter Effekt. Irgendwann ist die Ankündigung, aus Zeitnot habe man diesen und jenen Handlungsstrang gestrichen, nicht mehr lustig. Es geht bei einem solchen Versuch oft nur um Nuancen zwischen Ge- und Misslingen.

Boris Fiala spielt die Marcellina als herbe Gealterte mit gewöhnungsbedürftig ausgeprägtem Dialekt und hat zudem die üppigen Musikarrangements besorgt. Besonders die ernteten bei der Premiere viel Zwischenapplaus: Fiala verfremdete Arien mit Rocksounds oder fettete Mozarts olle Komposition mit passend eingeschobenen Popnummern wie Proud Mary oder Susanna auf. Ergibt einen sympathischen, flotten Abend, der sich zwischendurch aber auch etwas gar simpel gefällt. (Michael Wurmitzer, 4.2.2020)