Die ÖVP will einen Beweis für die parteipolitische Abhängigkeit der Justiz, konkret der WKStA, gefunden haben.

Matthias Cremer

Wien – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat Mitte Jänner bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten zum Ausdruck gebracht, mit der Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) nicht glücklich zu sein. Nun soll ein Dokument aus 1997 einen parteipolitischen – konkret roten – Einfluss in der Justiz belegen. Am Samstag kursierte in mehreren Medien der Scan eines Aktenvermerks der Anwaltskanzlei Lansky aus 1997 zu einem Treffen von Juristen, die der SPÖ nahe stehen. Das Dokument liegt dem STANDARD vor.

Junge Genossen sollen "ermutigt" werden

Wie aus dem Papier hervorgeht, wurden Justizthemen diskutiert, unter anderem ist auch Personalpolitik angeführt. So wurde besprochen, "wie sich die Partei noch mehr als bisher einbringen kann". Die Auswahl von Rechtspraktikanten im Justizministerium wird als "vollkommen undurchsichtig" beschrieben und man wolle "auch junge Genossinnen und Genossen dazu ermutigen, in den Richterdienst zu gehen."

Weiters wurde angesprochen, dass Untersuchungen zu Richtern und Parteibuch "relativ sinnlos" seien, da man ohnehin schon wisse, dass sich Richter "nur ungern zur Partei bekennen". Als Möglichkeiten, dennoch Juristen an die Partei zu binden, wurden die Gründung eines informellen Juristenkreises und das Angebot von Seminaren in der Wiener Partei diskutiert.

ÖVP fordert Aufklärung

In ÖVP-Kreisen wird das 23 Jahre alte Papier nun als Beleg dafür gesehen, dass Kurz mit seiner Kritik an den roten Netzwerken in der WKStA recht hat. Die SPÖ soll demnach versucht haben, eigene Leute in Richterberufen unterzubringen, um parteipolitischen Einfluss auszuüben. ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl forderte am Samstag in einer Aussendung, dass die Vorwürfe einer "vermeintlichen SPÖ-Unterwanderung der Justiz" so schnell wie möglich aufgeklärt werden müssten. Tatsächliche Postenbesetzungen lassen sich allerdings vorerst nicht nachweisen, konkrete Absichten oder gar Namen gehen aus dem Dokument nicht hervor.

SPÖ: "Durchschaubares Ablenkungsmanöver"

Die SPÖ reagierte am Samstag mit einer Aussendung auf die Medienberichte. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch kritisiert die Verbreitung des Dokuments als "durchschaubares Ablenkungsmanöver". ÖVP-Kanzler Kurz müsse sich in größter Not befinden, wenn jetzt die "schwarzen Message Controller" ausrücken müssten, "um mit einem Zettel aus dem Jahre 1997 ohne Zusammenhang und Aussagekraft die SPÖ anzupatzen". Die ÖVP diskreditiere damit zudem Richter und Staatsanwälte in ganz Österreich. Deutsch betonte außerdem, dass die WKStA erst seit 2011 besteht und zwischen 2008 und 2019 stehts die ÖVP die Justizminister stellte. Dass jene ausgerechnet ein rotes Netzwerk aufgebaut haben sollen, sei "schlichtweg absurd".

Ex-WKStA-Chef Geyer sieht keine Anzeichen für rote Netzwerke

Das sagt auch Walter Geyer, der ehemalige Leiter der Korruptionsstaatsanwaltschaft und davor grüner Abgeordneter, im Gespräch mit dem STANDARD. Die Behauptung, die WKStA agiere parteipolitisch, sei aus seiner Sicht inhaltlich falsch, "dafür sehe ich keine Anzeichen." Und: "Dass die schwarzen Minister ein rotes Netzwerk aufgebaut hätten, wäre mir – jedenfalls in meiner Zeit – nicht aufgefallen."

Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) äußerte sich am Samstag zur aktuellen Justizdebatte. In der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast" stellte er sich hinter die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und sagte er sehe keine Anhaltspunkte für eine politische Schlagseite. (brun, 8.2.2020)