Aktivisten der Zukunft beschuldigen uns.

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Vier Grad Erderwärmung, Landstriche versinken im Meer, die Infrastruktur bricht zusammen, der tauende Permafrost setzt Methangas frei, Wien wird hitzetechnisch Skopje geworden sein. Was die Wissenschaft schon lange Zeit prognostiziert, im Volkstheater Wien ist es nun wahr geworden: Eine Gruppe mitteleuropäischer Klimaflüchtlinge hat im neuen Theaterstück Schuld und Söhne die überhitzten Metropolen verlassen und lebt autark auf einem Gehöft auf dem Land.

Die Kommune folgt selbstauferlegten Regeln, die einem gewissenhaften Umgang mit noch vorhandenen Ressourcen angemessen erscheinen: Duschen nur einmal pro Woche, kein Fernsehen, minimale Internetzeit, kaum Fleisch. Es gibt keine Hierarchie, alle kommunizieren wertschätzend, es wird geschont und geteilt. Weil also alles allen gehört, darf auch ein weiterer Mitbewohner nicht ausgeschlossen werden.

Er ist das Zünglein an der Ressourcenwaage. Es wird knapp. Und bald noch knapper, denn neue Stadtflüchtlinge kommen aufs Land und campieren vor dem Haus. Sie beginnen Wassertanks anzuzapfen und Ziegenmilch zu stehlen. Wie lange wird das gutgehen, und beginnt hier das Ende des zivilisierten Zusammenlebens, ähnlich wie es José Saramago schon in Die Stadt der Blinden skizziert hat?

Trend Klima-Stücke

Gut möglich. Schuld und Söhne imaginiert jedenfalls, wie es dermaleinst sein könnte, wenn die Klimaerwärmung mit voller Härte zugeschlagen haben wird. Damit steht das von Christine Eder (Text, Regie) und Eva Jantschitsch (Musik) entwickelte Stück in jenem neuen Trend am Theater, der sich den Dystopien der Klimakrise widmet. So groß ist das Stückangebot allerdings noch gar nicht.

Thomas Köck war mit seiner Klima-Trilogie einer der Vorreiter. Auch Schauspielerin und Autorin Anna Mendelssohn hat sich bereits vor neun Jahren in ihrer Solo-Klima-Gipfelkonferenz Cry Me A River den Folgen der Erderwärmung gestellt. Philipp Weiss, um in Österreich zu bleiben, hat im letzten Herbst mit Der letzte Mensch nachgelegt.

"Fridays for Hubraum", "Ist SUV heilbar?", "This planet is hotter than my boyfriend" – böse Witze machen immer Spaß. Aber Eders Inszenierung kommt über die Reklamationsebene nicht hinaus. Alles, was wir über den Klimawandel längst wissen, wird in Schuld und Söhne (warum eigentlich Söhne?) noch einmal in geballter Ladung über die Rampe deklamiert. Ein 20-köpfiger Chor ist dabei die Echostimme der Zeit, er endet mit der Weisheit des Comedian-Harmonists-Schlagers Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück.

Theater der Botschaft

Wie auch in ihren Vorgängerabenden am Volkstheater interessiert sich Christine Eder nicht für szenisch ausagierte Konflikte (etwa die Spaltung der Gruppe; den Mord an der Kommunenmutter). Vielmehr gilt ihre Aufmerksamkeit der großen Botschaft: Die Klimakatastrophe ist Produkt des Kapitalismus und wird in einem Ressourcenkampf enden, den, wie immer, die Schwächeren verlieren werden. In Theaterform birgt diese (nicht neue) Mitteilung wenig Auseinandersetzungspotenzial. Der Abend rekapituliert sein Recherchematerial, hegt aber keinerlei empathische Absichten. So bleibt trist, was schon trist war. (Margarete Affenzeller, 16.2.2020)