Abgang von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner? Darüber sollen nun die SPÖ-Mitglieder entscheiden.

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Die Überraschung zeichnete sich in den Gesichtern ab. Perplex wirkte so mancher Funktionär, der am Freitagmittag – von den Kameras der Fernsehteams eingefangen – die Sitzungen der Führungsgremien der SPÖ verließ. Pamela Rendi-Wagner setzte einen strategischen Zug, den sie vorab offenbar nur mit ihren engsten Vertrauten abgesprochen hatte. Nicht einmal die Wortführer in der Wiener SPÖ, die sie Ende November noch gegen einen Umsturzversuch gestützt hatten, waren eingeweiht.

Grund für die Verblüffung war der Plan der Parteivorsitzenden, im März eine Mitgliederbefragung zu starten. Der vorgelegte Katalog enthält erst einmal eine Reihe von Nona-Fragen, deren Beantwortung keine Sensationen erwarten lässt. So dürfen die Genossen zum Ausdruck bringen, wie wichtig ihnen die stärkere Besteuerung von Millionenvermögen, die Sicherung der Pflege für alle Menschen oder eine jährliche Klimaschutzmilliarde – "statt Kosten auf BürgerInnen abwälzen" – sind. Doch die vorletzte Frage hat es dann in sich. Wortlaut: "Soll Pamela Rendi-Wagner Bundesparteivorsitzende bleiben, um für diese wichtigen Themen gemeinsam mit allen in der Partei zu kämpfen?"

Offene Kritik von Schieder

Rendi-Wagner steigt damit offensiv in jene Führungsdiskussion ein, die Parteikollegen seit vielen Monaten führen. Im Herbst gab es bereits einen (gescheiterten) Demontageversuch, immer wieder kocht die Debatte von neuem auf.

Auf Begeisterung stößt Rendi-Wagners Fluchtversuch nach vorne nicht. Er sei an sich für die Direktwahl der oder des Parteivorsitzenden, sagt Andreas Schieder, Präsidiumsmitglied und Delegationsleiter der SPÖ im EU-Parlament im STANDARD-Gespräch: "Die Befragung halte ich aber gerade zu diesem Zeitpunkt für keine gute Idee, weil sich die SPÖ wieder nur mit sich selbst beschäftigt. Mir wäre lieber, wir setzen unsere ganze Kraft in der Gesundheitspolitik, in der Eurofighter-Debatte und im neuen Untersuchungsausschuss ein."

Die SPÖ-Chefs von Vorarlberg und Tirol bezeichnen die Abstimmung als nicht nötig. Franz Schnabl, der als niederösterreichischer Obmann eine sehr mitgliederstarke Landespartei hinter sich hat, sagt: "Ich hätte mir eine andere Diskussion gewünscht, weil wegen der Affären um die Justiz, die Casinos Austria und die Eurofighter eigentlich gerade die Regierung in der Ziehung war. Aber das ist die persönliche Entscheidung der Vorsitzenden. Punkt."

Zitterpartie im Vorstand

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sprach von einer "sehr persönlichen Entscheidung", die "natürlich zu respektieren ist", ohne ein Wort des direkten Zuspruchs. Hintergrund: Ludwigs Wiener SPÖ muss sich im Herbst der Landtags- und Gemeinderatswahl in der Bundeshauptstadt stellen. Um im Wahlkampf durch keine bundespolitischen Kalamitäten gestört zu sein, wurde in der Wiener Partei an sich die Parole ausgegeben, die Führungsdebatte um Rendi-Wagner bis zum Urnengang möglichst abzuwürgen. Das könnte durch die Befragung nun unmöglich werden.

Öffentlichen Zuspruch gab es auch, etwa von Doris Bures, einflussreiche Zweite Nationalratspräsidentin aus Wien: Sie versichert "volle Unterstützung" für die Parteichefin und geht von "breiter Zustimmung der Basis" aus.

Im Parteivorstand führten die unterschiedlichen Meinungen zu einem knappen Ergebnis: Zwölf Mitglieder stimmten für, zehn Mitglieder gegen Rendi-Wagners Befragung, fünf Vertreter enthielten sich. Für SPÖ-Verhältnisse ist dies ein ungewöhnliches Ergebnis, das einen hohen Grad an Dissens offenbart. Selbst in strittigen Fragen stimmt im Vorstand üblicherweise die breite Mehrheit im Sinne der oder des Vorsitzenden, um nach außen Geschlossenheit zu demonstrieren.

Doskozil macht Rückzieher

Das bedeutet aber nicht, dass die Kritiker nun bei der Befragung gegen Rendi-Wagner mobilisieren. Schließlich geht es dabei auch um taktische Überlegungen: Selbst ein Gegner der Chefin wird sich fragen, ob eine Demontage vor der Wien-Wahl der SPÖ nützt. Parteiquerelen kommen bei Wählern selten gut an.

Unstimmigkeiten anderer Art versucht Hans Peter Doskozil zu bereinigen. Der burgenländische Landeshauptmann wollte seine Verlobte Julia Jurtschak, eine Eventmanagerin, als Referentin im eigenen Büro anstellen. Nun, nach viel Kritik, wird Jurtschak auf den Job verzichten. (Gerald John, 17.2.2020)