Dass die ÖGK ins Minus schlittert, ist klar – warum und was die Lösung sein wird, das wird noch diskutiert.

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Konstruktiv soll der runde Tisch rund um die Finanzprognose der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) gelaufen sein. Vertreter des Sozialministeriums und des Finanzministeriums trafen sich mit jenen der ÖGK und der Gewerkschaft. Conclusio des Gesprächs: Die Erhöhung von Selbstbehalten oder Leistungskürzungen sollen keine Lösung sein.

Die SPÖ reagierte mit einer Pressekonferenz. Sie möchte im Parlament einen Antrag stellen, den sogenannten Selbstbehalt-Paragrafen abzuschaffen. Damit ist der Paragraf 31 des Sozialversicherungsgesetzes gemeint. Dieser verpflichtet die Sozialversicherungen dazu, jährlich zu evaluieren, ob Patienten einen Kostenbeitrag für Behandlungen zahlen müssen. Der runde Tisch lehnt eine Erhöhung des Selbstbehalts ab, und auch das Regierungsprogramm schließt eine Ausweitung aus – allerdings nur für Arztbesuche. "Irgendwoher muss das Geld ja kommen", meinte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Als Beispiel nannte sie mögliche Erhöhungen bei Heilbehelfen, Krankentransporten oder der Rezept- und Ambulanzgebühr.

Worte, Taten und Prognosen

Als Zahlen zieht die SPÖ das prognostizierte Defizit der ÖGK von 1,7 Milliarden Euro heran. Die Vertreter des runde Tisches wollen diese Prognose zwar ernst nehmen, aber auch mit Vorsicht behandeln. Laut einer Aussendung des Sozialministeriums läge "das Risiko eines Abgangs zwischen einem und drei Prozent". Das wären bis Ende 2024 circa 150 bis 450 Millionen Euro im Jahr.

Auf die Worte des Sozialministers müssten Taten folgen. Die SPÖ würde die Garantie, keine Selbstbehalte einzuführen, erst ernst nehmen, wenn er ihren Antrag zur Abschaffung unterstützt. Die Gesetzeslage verpflichte die Sozialversicherung dazu, Selbstbehalte einzuführen, wenn sie finanziell schlechter steht, meinte Rendi-Wagner. Einer Erhöhung müsste Anschober als Sozialminister erst zustimmen. Den Antrag einer Oppositionspartei nennt er gegenüber dem STANDARD eine Angelegenheit des Parlaments. "Meine Aussage ist auf jeden Fall klar: Mit mir wird es bei der Gesundheitskasse keine Selbstbehalte oder Erweiterung von bestehenden Selbstbehalten geben." Ihren Antrag wird die SPÖ in den nächsten Tagen mit den anderen Parteien besprechen.

Die Patientenmilliarde

Türkis-Blau hatte eine Patientenmilliarde versprochen, die durch die Zusammenlegung eingespart und den Patienten zugutekommen sollte. Einen "Fusions-Pfusch" nennt Rendi-Wagner die ÖGK. Die zusätzliche Verwaltungsebene hätte die Strukturen nicht verschlankt, stattdessen wären 40 neue Leitungsposten geschaffen – "als politische Versorgungsposten", so die SPÖ-Chefin. Ihre Theorie: "Zuerst wird ein System zerschlagen, dann wird es finanziell ausgehungert, und wenn man am Ende des Finanzdesasters steht, sagt man: Es hilft nur noch eines: Privatisierung, um das System zu retten."

Grund für das Defizit sind laut Peter Lehner (ÖVP), Vorsitzender im Dachverband der Sozialversicherungsträger, die hohen Honorarverträge für Ärzte. Bei SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker läuten die Alarmglocken. Er sehe nicht ein, dass die versprochene Patientenmilliarde dadurch zustande kommt, dass die Vertragspartner den Gürtel enger schnallen. Außerdem kritisiert er den Stillstand in der ÖGK, es würde Wochen dauern, bis Kassenverträge abgeschlossen werden könnten. "Da herrscht im Augenblick ein Durcheinander, da herrscht im Augenblick Unklarheit", sagt der Stadtrat. (jf, 20.2.2020)