Tirol als europäisches Coronavirus-Epizentrum? Das sieht Schröcksnadel anders. "Von irgendwo ist das Virus ja auch dort hingekommen."

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"Ab und zu muss ich ins Büro", sagt Peter Schröcksnadel, "weil Sachen zu erledigen sind." Aber im Prinzip bleibt er natürlich daheim, und im Prinzip ist das Büro des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) in Innsbruck auch seit gut einer Woche schon geschlossen. Es ist sehr schnell gegangen, dass der seit 1990 amtierende ÖSV-Präsident nicht mehr auf die erste ÖSV-Niederlage im Nationencup in seiner Ära angesprochen wird, sondern auf das Coronavirus und auf die Reaktionen, die der Sport und das Land Tirol gesetzt haben.

Im Skisport, sagt Schröcksnadel (78), habe man "rechtzeitig alles abgesagt und alle Athleten zurückgeholt". Und er verweist darauf, dass der ÖSV auch seine Biathleten schon vor dem vergangenen Wochenende, an dem noch Rennen stattgefunden haben, zur Heimreise angehalten hat.

Eine ganz andere Geschichte ist Ischgl und die Art und Weise, in der das Land Tirol auf die ersten Infektionen, nun ja, reagierte. Ob auf landespolitischer Ebene Fehler gemacht wurden, könne er "nicht beurteilen", sagt Schröcksnadel. "Ich weiß darüber zu wenig." Doch dagegen, dass Tirol nun in Skandinavien und auch Deutschland als europäisches Coronavirus-Epizentrum bezeichnet wird, verwehrt er sich. "Der Ursprung ist nicht Tirol, von irgendwo ist das Virus ja auch dort hingekommen." Schröcksnadels Vermutung? "Aus Italien, über den Brenner, über den Reschen, was weiß ich. Viele Österreicher gehen in Italien Ski fahren, und viele Italiener kommen zum Skifahren nach Tirol."

Tourismus als Erklärung

Dass es in Tirol in der Relation viel mehr Infizierte gibt als in den anderen Bundesländern, sei logisch. "Wir sind zu der Jahreszeit das Haupttourismusland", sagt Schröcksnadel. "Es ist ja klar, dass das Burgenland jetzt weniger Probleme hat." Der ÖSV-Präsident ortet "einen Imageschaden für Tirol. Aber dieser Imageschaden ist ungerechtfertigt. Nicht Tirol, sondern Italien ist das europäische Epizentrum." Dass hunderte ausländische Touristen überstürzt aus Ischgl abreisen mussten und viele dann noch zumindest eine Nacht in Hotels in Innsbruck und Umgebung verbrachten, sei "vielleicht nicht g'scheit gewesen. Vielleicht hätte man alle in Ischgl behalten müssen."

Schröcksnadel besitzt selbst einige Seilbahnen und also auch Pisten, in Tirol etwa Kössen, in Oberösterreich die Wurzeralm und in Niederösterreich das Hochkar. Auf der Wurzeralm habe man nach vielen Stornierungen schon selbst vorzeitig die Saison beenden wollen. "Dann wurden wir von der Entwicklung eingeholt." Dabei ist diese Entwicklung für Schröcksnadel gar nicht überraschend gekommen. Dass das Coronavirus auch in Europa um sich greifen würde, sei ihm seit Ende Jänner klar gewesen, seit den Rennen in Kitzbühel, wo er Forscher zu Gast hatte. Schröcksnadel investiert seit Jahren in die Krebsforschung, er unterstützt etwa eine Gruppe dänischer Wissenschafter, die an der Entwicklung eines Medikaments gegen Blasenkrebs beteiligt waren.

Lockerung der Maßnahmen in Sicht

Diese Gruppe ist nun daran, einen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln. "Bis es einen erprobten Impfstoff gibt, wird es ein, zwei Jahre dauern", sagt Schröcksnadel, "vorher gibt es ein Medikament. Und dann kann das Thema schnell wieder weg sein. So wie HIV kein großes Thema mehr ist, seit es Medikamente gibt." Derzeit müsse man aber hoffen, dass die Maßnahmen der Regierung greifen. Schröcksnadel hofft und geht auch davon aus, dass es in wenigen Wochen zu einer Lockerung der Maßnahmen kommt. "Wirtschaftlich lässt sich das nicht viel länger durchhalten."

Mit seinen drei Kindern, dreizehn Enkeln und zwei Urenkeln ist Schröcksnadel (video-)telefonisch und via Whatsapp in Kontakt. In seiner Nachbarschaft sieht er manchmal ein Dutzend Kinder, die miteinander im Garten spielen. "Dass deren Eltern das zulassen, versteh ich nicht. Das ist nicht g'scheit."

Generell hat er aber das Gefühl, dass viele Menschen den Ernst der Lage erkennen. "Aber leider nicht alle. Es gibt immer noch viele Jüngere, die in mittelgroßen Gruppen beisammenstehen. Denen ist Corona wurscht, ihnen selbst kann ja wahrscheinlich auch nicht viel passieren. Da fehlt es an Solidaritätsbewusstsein. Dabei wird man die strengen Vorschriften, je besser sie jetzt eingehalten werden, umso rascher wieder lockern können." (Fritz Neumann, 19.3.2020)