Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

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Vor einigen Wochen bestand noch die Gefahr, dass dem 24-Stunden-Betrieb der österreichischen Frauenhelpline wegen fehlender Budgetmittel das Aus droht. Auch andere Hilfseinrichtungen wie die Frauenhäuser oder die Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie kämpfen regelmäßig mit fehlenden Ressourcen. In einem der reichsten Länder der Welt ist offenbar nicht genügend Geld vorhanden, um Frauen und Kindern, die in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr sicher sind, kompetente Unterstützung zu bieten. Der Aufschrei in den Medien und der Bevölkerung blieb bisher nahezu aus. Manche Medien hielten es in der Vergangenheit nicht einmal für nötig, über die prekäre Situation der Frauenhäuser zu berichten.

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Mordversuch in der Corona-Isolation

Durch den Ausbruch von Sars-CoV-2 hat sich das Blatt gewendet. Der von den zuständigen Schutzeinrichtungen erwartete Anstieg von häuslicher Gewalt aufgrund der Ausgangsbeschränkungen hat sich leider bewahrheitet: So hat es erst diese Woche wieder einen Mordversuch an einer Frau durch ihren Ehemann im Bezirk Baden gegeben. Der Ehemann hatte offenbar angegeben, dass er aufgrund der Corona-bedingten Isolation und Homeoffice überfordert war.

Jede fünfte Frau betroffen

Die Regierung hat nun eine Ausweitung des Hilfs- und Unterstützungsangebots für Frauen erarbeitet und die Frauenhelpline verstärkt. Diese Maßnahmen sind auch längst überfällig, und es bleibt zu hoffen, dass die Bereitschaft zur Verstärkung der Mittel für den Gewaltschutz langfristig – über die Corona-Krise hinaus – bestehen bleibt. Die noch immer sehr weit verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber einem Problem, das leider jede fünfte Frau betrifft (und zwar quer durch alle Gesellschaftsschichten), ist auch der Grund, warum die Täter in vielen Fällen ungeschoren davonkommen. Denn nach wie vor berichten Frauen, die sich – nach teilweise massiven und jahrelangen Gewaltvorfällen – endlich zu einer Anzeige aufraffen können, dass sie bei ihrer Einvernahme gefragt werden, ob sie ihrem Mann denn wirklich solche Schwierigkeiten bereiten möchten. Und mitunter werden auch einstweilige Verfügungen trotz recht eindeutiger Gefährdungslage nicht erlassen oder im Instanzenzug wieder aufgehoben, mit teilweise fatalen Folgen für die Opfer. Dadurch fühlt sich der Täter erst recht bestätigt und verliert jegliche Hemmungen.

Welche Rechte haben Opfer von häuslicher Gewalt?

Grundsätzlich haben Opfer von häuslicher Gewalt in Österreich aber durchaus rechtliche Möglichkeiten. So kann die Polizei den Täter nach einem Gewaltvorfall aus der Wohnung wegweisen und ein Betretungsverbot aussprechen. Ein Betretungsverbot ist auch möglich, wenn das Opfer selbst nicht Mieter oder Eigentümer der Wohnung ist oder mit dem Täter nicht mehr zusammenlebt. Seit 1. Jänner 2020 kann das Betretungsverbot nicht nur für bestimmte Orte (wie etwa die Wohnung des Opfers, die Schule oder den Kindergarten) verhängt werden, sondern kann auch jede Annäherung an das Opfer im Umkreis von hundert Metern untersagt werden. Das Betretungsverbot ist auf zwei Wochen befristet, kann aber auf vier Wochen verlängert werden, wenn das Opfer innerhalb dieser Zeit bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragt. Das Gericht kann dem Täter auch länger, zum Beispiel bis zur rechtskräftigen Beendigung eines Scheidungsverfahrens, verbieten, sich bestimmten Orten (wie der Wohnung, der Schule oder dem Kindergarten) oder dem Opfer selbst zu nähern.

Um die stetige Zunahme der häuslichen Gewalt zu bekämpfen, wäre es in erster Linie notwendig, dass auch einmalige Gewaltvorfälle nicht verharmlost werden. Die Opfer müssen endlich ernst genommen werden, und zwar von der Polizei und vor Gericht, aber auch von der Gesellschaft. Und sie benötigen rechtliche und psychologische Unterstützung und Betreuung von qualifizierten Einrichtungen, denn allein schaffen es nur die wenigsten, sich aus der Abwärtsspirale der Gewalt zu befreien.

Wenn der Staat diesen Hilfseinrichtungen nicht dauerhaft die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stellt, bieten selbst die besten rechtlichen Rahmenbedingungen keinen ausreichenden Schutz. Die Finanzierung der Einrichtungen, die für Opfer von häuslicher Gewalt lebensrettend sein können, etwa die Frauenhäuser oder die Frauenhelpline, sollte daher nicht nur in Krisenzeiten selbstverständlich sein. (Carmen Thornton, 26.3.2020)