Das Mikrobiom, also die Zusammensetzung von Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen, in unserem Mund ist komplex. Über 700 verschiedene Arten kann man dort finden. Was eklig klingt, ist mitunter sehr nützlich: Ähnlich wie die Bakterien auf unserer Haut und im Darm übernehmen die kleinen Mitbewohner wichtige Funktionen wie beispielsweise den Schutz vor bösartigen Mikroben, die über den Mund in unseren Körper gelangen könnten.

Nicht ohne Grund begutachten Ärzte manchmal die Zunge. Farbe und Belag können Hinweise auf Krankheiten liefern. Ein Zungenbelag, eine Mischung aus Nahrungsresten und den Mikroorganismen, lässt sich beim Zähneputzen entfernen. Dass Mundbakterien darin nicht zufällig zusammen gewürfelt sind, sondern abgegrenzte Kolonien bilden, zeigte eine Studie, die kürzlich im Fachmagazin "Cell Reports" veröffentlicht wurde.

Auf unserer Zunge leben viele verschiedene Bakterien.
Foto: imago images/Westend61

Leuchtende Gemeinschaften

Die Studienteilnehmer mussten für zwölf Stunden auf Essen verzichten, bevor mit einem handelsüblichen Zungenschaber ihr Zungenbelag entfernt wurde. Darin fanden die Wissenschafter neben frei herumschwimmenden Bakterien und solchen, die sich vereinzelt an Epithelzellen geheftet hatten, auch ganze Gemeinschaften von Bakterien.

Um die Bakterien sichtbar zu machen, verwendeten die Forscher Fluoreszenz-Farbstoffe, die bestimmte Gene auf der Bakterien-DNA markierten (fluorescence in situ hybridization). Damit lassen sich auf den bunten Bildern die einzelnen Gattungen der am häufigsten vorkommenden Bakterien und sogar spezifische Arten unterscheiden.

Fluoreszenz-Aufnahme: Verschiedene Farben zeigen verschiedene Bakterienarten an. Sie sind in definierten Gemeinschaften organisiert.
Foto: Steven Wilbert and Gary Borisy, The Forsyth Institute

Ordnung auf der Zunge

Besonders häufig waren Arten der Gattungen Actinomyces, Rothia und Streptococcus in diesen Gemeinschaften zu finden. Sie waren in dieser Reihenfolge von innen nach außen in Kolonien angeordnet, wobei die innersten Bakterien Kontakt zu Zellen der Mundschleimhaut haben und die äußeren in stärkerem Austausch mit der Umgebung stehen.

Die Anordnung der Bakterien auf der Zunge ist also alles andere als zufällig. Zusammengesetzt wie ein Flickenteppich, gibt es definierte Strukturen, in denen eine bestimmte Art dominiert. "Unsere Ergebnisse vertiefen unser Verständnis der Lebensraum-Spezialisierung und zeigen, wie wertvoll die Untersuchung des Mikrobioms in einer hohen Auflösung ist", sagt Studienkoautorin Jessica Mark Welch. Die Gemeinschaften entstehen möglicherweise, indem sich einzelne Bakterien an die Mundschleimhaut anheften, vermehren und damit das Ansiedeln anderer Arten erst ermöglichen. (Friederike Schlumm, 9.4.2020)