Der Ballhausplatz am 18. Mai 2019, als tausende Demonstranten das Ende der türkis-blauen Koalition forderten.

Foto: apa / herbert neubauer

Wien – Echte Enthüllungen fehlen auf jener Website, die anonyme Sympathisanten der Macher des Ibiza-Videos am Sonntag online gestellt haben – doch eine Information war neu: "Wenige Tage vor der Veröffentlichung am 17.5. wurden von mutmaßlich Beteiligten relevante Stellen im Staatsapparat grob über die Inhalte und Veröffentlichung informiert", heißt es in der Verteidigungsschrift, mit der auch Spenden für die Anwaltskosten der Beschuldigten gesammelt werden. Doch wer diese "relevanten Stellen im Staatsapparat" sein sollen, sagen die Verfasser nicht.

Im Bundeskanzleramt erklärt man auf STANDARD-Nachfrage, Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe, wie mehrfach berichtet, erst am Vorabend der Veröffentlichung von Protagonist Heinz-Christian Strache (damals FPÖ) von dem Video erfahren.

Anklage in Drogen-Causa

Weiterhin gibt es Kritik an den Ermittlungen der Soko Tape: Richard Soyer, Verteidiger des in die Ibiza-Causa involvierten Rechtsanwalts M., stellt die Fairness des Verfahrens infrage. Grund dafür ist die Mitarbeit des inzwischen abgezogenen Polizisten R., der Strache per SMS seine Unterstützung kundtat. "Derartige Fehler können zur Unverwertbarkeit der aufgenommenen Beweise führen. Ein faires Verfahren schaut jedenfalls anders aus", sagt Soyer.

Am weitesten sind die Ermittlungen bei einem Nebenstrang der Ibiza-Affäre gediehen, der Drogen und Waffen betrifft. Gegen den Bosnier K. und gegen die Slowakin H., die beide aus dem Umfeld des in das Ibiza-Video direkt involvierten Privatdetektivs J. H. stammen, wurde im März Anklage erhoben. Es ist die erste in der gesamten Ibiza-Causa.

Die – noch nicht rechtswirksame – Anklage betrifft nur Drogen- und Waffendelikte, es geht etwa um Kokainhandel sowie um eine fehlende Waffenbesitzkarte. Gegen den Beschuldigten K., einen Bosnier mit Wohnadresse in Salzburg, wird von der Staatsanwaltschaft Wien aber auch weiterhin wegen "versuchter Erpressung" oder "Beitragstäterschaft zum Missbrauch von Tonaufnahme- und Abhörgeräten" ermittelt. Er soll einerseits an der Videofalle mitgewirkt haben. Zudem wird K. vorgeworfen, mit Heinz-Christian Strache nach Veröffentlichung des Videos über einen möglichen Ankauf des gesamten Materials gesprochen zu haben.

Antrag auf Prozess in Wien

Die Beschuldigten K. und H. sitzen in Wien in U-Haft. Der Drogenprozess selbst soll aufgrund der Tatorte aber in Salzburg stattfinden. Vor wenigen Tagen sei ein Antrag auf Verlegung nach Wien an den Obersten Gerichtshof (OGH) gestellt worden, wie K.s Anwalt Timo Gerersdorfer dem STANDARD sagte – "aus praktischen und verfahrensökonomischen Gründen", wie es heißt. Wann der OGH entscheidet, ist noch unklar. Der Prozess dürfte aber nicht vor Juni oder Juli dieses Jahres beginnen.

In der Anklageschrift wird übrigens auch Privatdetektiv H. genannt, der auf dem Ibiza-Video zu sehen ist. Er soll dem Beschuldigten K. gegen Geld größere Mengen an Kokain übergeben haben. Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung. (David Krutzler, Sebastian Fellner, 18.5.2020)